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24.05.2015

Bundestag beschließt gesetzliche Tarifeinheit und Angriff auf Streikrecht

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Der Freitag war ein schlechter Tag für die Gewerkschaften und ein guter Tag für die Arbeitgeber, denn da wurde tatsächlich die gesetzliche Tarifeinheit beschlossen. Damit wird ein Grundrecht und Freiheitsrecht per SPD-Gesetz eingeschränkt. Das geht gar nicht. Zumal das Ministerium in den Tagen davor auf eine Frage von mir erstmalig zugeben musste, dass das neue Gesetz das Streikrecht einschränken wird.

Der Trubel in der Woche war für mich nach der Antwort des Ministeriums groß. Mit einem Mal stand die Nachfrage und die Antwort im Mittelpunkt beispielsweise der Tagesschau, Landesschau, phoenix und erstmalig durfte ich eine zweistündige Radiosendung beim WDR bestreiten.

Weil meine ausführliche Kleine Anfrage nur defizitär beantwortet wurde, hatte ich nochmals nachgefragt, ob die Arbeitsgerichte künftig auf der Grundlage des geplanten Gesetzes zur Tarifeinheit einen Streik schon vor Abschluss eines Tarifvertrags als „unverhältnismäßig“ untersagen können. Schriftlich antwortet mir die Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Anette Kramme (SPD): Die Prüfung eines Streiks durch ein Gericht „kann ergeben“, dass dieser „unverhältnismäßig sein kann, soweit ein Tarifvertrag erzwungen werden soll, dessen Inhalte evident nicht zur Anwendung kommen“. Auch wenn die Bundesregierung beim Streikrecht einmal mehr die Verantwortung an die Gerichte delegiert, war sie mit dieser Antwort zum ersten Mal ehrlich. Denn die Bundesregierung gab erstmalig schriftlich zu, dass die gesetzlich geregelte Tarifeinheit das Streikrecht einschränken kann. Damit wird offenkundig, dass die Bundesregierung bewusst die Öffentlichkeit täuscht, wenn sie immer und wieder beteuert, dass das Tarifeinheitsgesetz das Streikrecht nicht verändert. Die gesetzliche Tarifeinheit ist somit ganz eindeutig ein Angriff auf das Streikrecht, und das ist nicht akzeptabel.

Das Tarifeinheitsgesetz gilt mittlerweile als umstritten. Dennoch haben die Regierungsfraktionen das Gesetz mehrheitlich beschlossen. Ich bleibe dabei – die gesetzliche Tarifeinheit ist ein Eingriff in die Koalitionsfreiheit und ein Angriff auf das Streikrecht. Die Tarifpluralität gehört aber zu den Grundprinzipien unserer Demokratie, denn alle Beschäftigten und alle Berufe haben das Recht, sich zu organisieren und Tarifverträge zu verhandeln und müssen in letzter Konsequenz auch das Recht haben, für ihre Anliegen zu streiken. Gleichzeitig ist unbestritten: Die Tarifpolitik der Gewerkschaften lebt von Solidarität. Tarifpluralität erfordert deshalb Kooperationen zwischen den Gewerkschaften. Nur solidarisch können alle Beschäftigten angemessen vertreten und in ihren Anliegen unterstützt werden. Das Tarifeinheitsgesetz wird dafür aber nicht den notwendigen Betriebsfrieden schaffen – im Gegenteil, es wird die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften und den Kampf um Mitglieder verschärfen. Solidarität und Kooperationen lassen sich aber nicht verordnen und schon gar nicht gesetzlich erzwingen. Beides ist nur auf freiwilliger Basis zu haben, und es ist auch nicht Aufgabe der Politik, sondern Aufgabe der Gewerkschaften.

Die parlamentarische Auseinandersetzung ist jetzt zu Ende. Wenn das Gesetz in Kraft tritt, dann werden die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Ich hoffe sehr, dass dieses unsägliche Gesetz in Karlsruhe scheitert.

 

Bundestagsrede Tarifeinheit 2./3. Lesung

Tagesschau-Bericht

Phoenix-Interview

Radio-Interview SWR1

WDR2-Radiobeitrag

Pressebericht: Regierung schürt Zweifel am Tarifgesetz