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21.04.2017

Grundeinkommen: Mehr Zusammenhalt wagen

17-04-21_Donaueschingen

Wie wollen wir zusammen leben? Wie können wir die Menschen sozial absichern und ein menschenwürdiges Leben für alle schaffen? Diese Fragen waren Ausgangspunkt der Veranstaltung „Grundeinkommen – Vision oder Lösung für die Arbeitswelt von morgen?“, zu der mich die Grünen und Bundestagskandidat, Volker Goerz, in Donaueschingen eingeladen hatten. Für mich geht es beim Grundeinkommen um den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Wir sollten diese Debatte wagen und den Menschen mehr zutrauen.  

Die Idee ist alt, doch im vergangenen Jahr diskutierten in Davos sogar Spitzenmanager darüber. In Zeiten der Digitalisierung, in denen Roboter zunehmend die Arbeit von Menschen machen, rückt das Grundeinkommen wieder in den Fokus. Denn es könnte die Grundlage für ein neues Miteinander sein. In der Schweiz stand das Grundeinkommen sogar zur Volksabstimmung. In Finnland startete dieses Jahr immerhin ein erstes Experiment. Einen Beschluss für ein Grundeinkommen gibt es bei uns Grünen nicht. Aber die Diskussionen laufen in der Mitgliedschaft – wie in der Gesellschaft auch. Ich selbst werbe dafür, denn so kann der gesellschaftliche Zusammenhalt wieder gestärkt werden.

Auch in Deutschland sollten wir eine Debatte über das Grundeinkommen unaufgeregt und mutig angehen. Immerhin gilt es, Chancen und Risiken auszuloten. Denn nicht erst die Digitalisierung stellt uns vor eine Reihe von Herausforderungen. Zwar ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt insgesamt gut. Dennoch driftet die Arbeitswelt schon länger auseinander. Für die Mehrheit besteht zwar weiterhin Beschäftigungs- und Karrieresicherheit. Eine große Minderheit erlebt die Arbeitswelt aber als fragmentiert, unsicher, nicht Existenz sichernd und brüchig.

Ein Grundeinkommen könnte das Vertrauen in den Sozialstaat wieder stärken. Wer heute mit Hartz IV aufstocken muss, wäre mit Hilfe eines Grundeinkommens unbürokratisch und würdevoller abgesichert, als bisher. Denn Arbeitslosigkeit ist kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches, wenn Menschen keine Chancen auf Arbeit haben. Das gleiche gilt für all jene, die in schlecht bezahlten Jobs kaum über die Runden kommen. Sie arbeiten und müssen doch ins Hartz-System. Das ist nicht gerecht. Hier kann das Grundeinkommen sogar einen positiven Effekt auf den Arbeitsmarkt haben. Denn die Menschen sind weniger erpressbar, wenn sie wissen, dass sie im Notfall abgesichert sind. Ohne bürokratischen Aufwand federt das Grundeinkommen außerdem Lebensphasen ab, in denen Menschen kurzfristig erwerbslos sind, sich mehr Zeit für die Kinder nehmen wollen, die Eltern pflegen oder sich ehrenamtlichen betätigen wollen. Das Grundeinkommen kann auf diese Weise zu mehr Zeitsouveränität beitragen, die sich mittlerweile viele wünschen.

Noch kann niemand sagen, wie unsere Arbeitswelt zukünftig genau aussehen wird. Aber sie wird sich durch die Digitalisierung verändern. Sie wird bunter, aber auch ambivalent und darauf brauchen wir solidarische Antworten, um alle angemessen abzusichern. Ein Grundeinkommen könnte all denjenigen helfen, die im Zuge der Digitalisierung als Soloselbstständige oder Click- und Crowdworker nur über kleine Einkommen verfügen. Es schafft aber auch Zeit, um sich weiterzubilden für neue Aufgaben. Es kann Menschen ermutigen, Neues zu wagen, es setzt Kreativität frei und fördert Existenzgründungen in der digitalen Arbeitswelt.

Gleichzeitig ist das Grundeinkommen aber auch kein Allheilmittel. Im Gegenteil, es macht lediglich das Arbeitslosengeld II obsolet. Es kann aber auf keinen Fall jegliche Unterstützung in unserem Sozialstaat ersetzen. Das Grundeinkommen schafft jedoch die Voraussetzungen für eine Sozialpolitik auf Augenhöhe. Denn Zusammenhalt in der Gesellschaft heißt, keinen Menschen alleine zu lassen. Und das geht heute und auch in der Zukunft ohne Bevormundung, dafür mit Selbstbestimmung und mit mehr Würde. Wir sollten diese Debatte wagen und den Menschen mehr zutrauen.