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31.05.2016

Parlamentarischer Abend "Zukunft.Gestalten.Besser statt billiger!"

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Die ak.mas – die Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des deutschen Caritasverbandes – hatten zum dritten Mal zu parlamentarischen Abend eingeladen. Schwerpunktthema war die Pflege. Dieses Jahr war ich Schirmherrin und hatte deshalb bei den Reden das letzte Wort. 

Die Reden hielten der ak.mas-Sprecher Thomas Rühl, Caritas-Präsident Dr. Peter Neherund Sylvia Bühler von ver.di. Die ak.mas fasst auf ihrer Homepage zusammen: „Einig in ihren Beiträgen waren sich die Gäste am Rednerpult: Es muss endlich Schluss sein mit krank machenden Arbeitsbedingungen. Dazu gehört eine bessere Bezahlung ebenso wie eine verbesserte Personalausstattung. Arbeitsverträge müssen so gestaltet sein, dass auf deren Grundlage eine sichere Lebensplanung möglich ist. Es braucht bundeseinheitliche Regelungen, damit auch die Refinanzierung gesichert und ein Wettbewerb über abgesenkte Löhne ausgeschlossen ist.“ Das waren insbesondere die Themen, die ich an diesem Abend in meinem hier nachzulesenden Grußwort angesprochen habe.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bedanke mich ganz herzlich bei der „Mitarbeiterseite der Arbeitsrechtlichen Kommission des deutschen Caritasverbandes“ für den heutigen Abend. Und ich freue mich wirklich, dass ich dieses Jahr Schirmherrin sein darf. Und das auch noch bei dem so wichtigen Thema „Pflege“ – das mich selbst sehr umtreibt.

In der Einladung heute heißt es: „Die Pflege alter Menschen ist keine marktfähige Dienstleistung, bei der der billigste tarifflüchtige Anbieter die Nase vorn haben darf.“ Das kann ich nur unterschreiben. Und auch Ihre Devise stimmt – „Besser statt billiger!“

Bei der Pflege geht es um Menschen – um alte Menschen. Sie brauchen Unterstützung, Hilfe. Sie brauchen ein offenes Ohr, Zeit, Wärme, Verständnis – vor allem auch am Ende ihres Lebens. Und es sind Menschen, die für diese Menschen sorgen. Die Beschäftigten sind emotional gefordert. Es geht um Zuhören, Unterstützen und stark machen. Notwendig ist Geduld und Einfühlungsvermögen, um Empathie. Manches geht bei dieser Arbeit unter die Haut. Diese Arbeit ist per se schon nicht einfach. Und dann sind auch noch die Arbeitsbedingungen nicht einfach. Gerade in der Pflege gibt es prekäre – also unsichere und schlecht entlohnte Beschäftigungsverhältnisse. Das muss sich ändern. Die Beschäftigten in der Altenpflege engagieren sich für die Menschen und für die Gesellschaft. Deshalb haben sie Anerkennung, Wertschätzung und eine gerechte Entlohnung verdient.

Ein paar Aspekte möchte – auch ich – kurz ansprechen und zwar gerade die Themen, die auch mich als Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte umtreiben. Die Beschäftigten brauchen beispielsweise Sicherheit – soziale Sicherheit. Die Zahlen des IAB zeigen aber: bei den Wohlfahrtsverbänden wird noch häufiger befristet als anderswo und häufig sachgrundlos. Wie sollen Menschen aber ihr Leben planen, wie sollen sie ausgeglichen sein, die nötige Kraft haben für die Menschen, die sie betreuen, wenn sie immer wieder nicht wissen, wie es weiter geht? Es gibt genügend Befristungsgründe und die reichen aus und deshalb sollte die sachgrundlose Befristung endlich abgeschafft werden. Denn Brüche im Erwerbsleben sind nicht gut und ermutigend erst recht nicht.

Und dann ist da noch die wichtige Frage der Entlohnung. Viele können vom Gehalt in der Altenpflege allein nicht leben und ganz zu schweigen, dass so keine armutsfeste Rente entsteht. Dazu wurde schon einiges gesagt. Deshalb spreche ich meine Forderung nach einem Gesetz für mehr Entgeltgleichheit in diesem Zusammenhang an, denn das ist mir ein besonderes Anliegen. Dabei geht es mir nicht allein darum, dass Arbeit gleich bezahlt wird, sondern es geht um „Gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit“. Heutzutage sind Fahrzeugbau oder Metall noch immer die TOP-Branchen. Männer, die sich um das Innenleben von Autos oder Maschinen kümmern, haben einen höheren Stellenwert und bessere Löhne als insbesondere Frauen, aber auch Männer, die sich um Menschen kümmern. Das ist nicht akzeptabel und das ist nicht fair und schon gar nicht gerecht. Hier ist die Politik in der Verantwortung. Es geht um eine gesellschaftliche Aufwertung, denn hier geht es um den Wert von Arbeit.

Ich appelliere bei der Entlohnung aber auch an Caritas und Diakonie. In der Sozialbranche existiert ein Wettbewerb, der über die Lohnkosten ausgetragen wird. Notwendig wäre deshalb ein Tarifvertrag „Soziale Dienste“, der für alle gilt. Denn solch ein Tarifvertrag würde den Wettbewerb wieder in richtige Bahnen lenken, vom Wettbewerb über die Löhne, hin zur angebotenen Leistung und Qualität. Wir wissen aber alle, dass vereinbarte kirchliche Vergütungen – auf Grundlage des 3. Wegs – nicht allgemeinverbindlich erklärt werden können. Deshalb würde ich es mir wünschen, dass sich Caritas und Diakonie für Tarifverhandlungen öffnen. Denn ein Tarifvertrag „Soziale Dienste“, der für alle gilt wäre auch für alle gut – für die Menschen, die auf gute Pflege angewiesen sind und vor allem für die Beschäftigten.

Aber zurück zur Politik: Letztes Jahr habe ich als grüne Berichterstatterin die Petition von Herrn Niewiadomski aus Freiburg begleitet. In der öffentlichen Anhörung forderte er eine angemessene Vergütung in der häuslichen Pflege. Er ist Geschäftsführer einer katholischen Sozialstation. Die Löhne orientieren sich am TVÖD. Seit Jahren entsprechen aber die von den Krankenkassen gezahlten Vergütungen nicht den tatsächlichen Kostensteigerungen. Die Folgen sind verheerend: In Baden-Württemberg beispielsweise haben interne betriebswirtschaftliche Auswertungen bei kirchlichen Sozialstationen ergeben, dass deshalb 40 Prozent der Einrichtungen in ihrer Existenz gefährdet sind. Die Patientenversorgung ist zwar noch flächendeckend gewährleistet, allerdings mit ersten Abstrichen. An der Grenze zur Schweiz gibt es beispielsweise jetzt schon massive Probleme Pflegepersonal zu bekommen. Denn in der Schweiz bekommen Pflegefachkräfte mehr Geld und haben bessere Arbeitsbedingungen.

Eigentlich ist die Lösung der Petition ganz einfach: Im SGB XI gibt es für die Pflege die Klarstellung, dass die Bezahlung tariflicher Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichem Arbeitsrecht nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden kann. Solch eine Klarstellung brauchen wir auch für die häusliche Pflege im SGB V. Denn gute Pflege braucht gute Löhne.

Abschließend ist mir noch ein Thema wichtig und zwar die Gesundheit der Beschäftigten. Die Krankheitsquote in der Altenpflege liegt mittlerweile über dem Durchschnitt anderer Branchen. Die Beschäftigten spüren die Auswirkungen der Unterfinanzierung in der Pflege. Sie spüren täglich die Arbeitsverdichtung, Zeitdruck und manchmal auch Zeitnot. Sie haben immer weniger Zeit – für die einzelnen Menschen. So entsteht Stress und zwar Stress, der Kraft raubt und krank macht. Das darf so nicht sein! Notwendig ist ein Arbeitsschutz, der die Belastungsgrenzen der Beschäftigten – gerade in der Pflege – endlich in den Mittelpunkt stellt. Die Personalbemessung muss endlich dem tatsächlichen Bedarf entsprechen und darf sich nicht Sachzwängen unterordnen.

Gute Pflege braucht Zeit und diejenigen, die gut pflegen, brauchen Wertschätzung und einen guten Lohn. Das müssen uns – der Gesellschaft und der Politik – die zu Pflegenden und die Beschäftigten wert sein! Schöne Worte sind da zu wenig, Handeln ist angesagt.

In diesem Sinne, also wenn ich über Handeln rede, möchte ich mich ganz herzlich bei der ak.mas für die engagierte Arbeit bedanken. Sie setzen sich für die Beschäftigten ein. Sie machen die Probleme sichtbar. Und dafür wünsche ich Ihnen auch weiterhin viel Kraft und einen langen Atem.

Mein Grußwort