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21.10.2019

70 Jahre für eine gerechte Gesellschaft

Der DGB wird 70 Jahre alt – und das ist ein Grund, zu feiern. Denn die ganze Zeit über kämpfte der Deutsche Gewerkschaftsbund ungebrochen für soziale Gerechtigkeit und ein Leben in Freiheit und Würde. Das muss entsprechend gewürdigt werden. Deshalb habe ich dem DGB öffentlich auf der Homepage der Heinrich-Böll-Stiftung gratuliert.

70 Jahre für eine gerechte Gesellschaft

Bleib streitbar, lieber DGB – wünscht Beate Müller-Gemmeke

Mit 100 Jahren Frauenwahlrecht haben wir in diesem Jahr das Fundament unserer Chancengleichheit gefeiert. 70 Jahre alt wurde unser Grundgesetz, das Fundament unserer Demokratie. Und 70 Jahre alt wird auch der DGB. Er sorgt mit Spielregeln für ein festes Fundament der sozialen Marktwirtschaft in unserem Land. Denn als Dachverband von acht Einzelgewerkschaften und heute rund sechs Millionen Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern engagiert sich der DGB seit 70 Jahren ungebrochen für soziale Gerechtigkeit und ein Leben in Freiheit und Würde.

Gewerkschaften haben die Menschen im Blick und kämpfen für ihre Rechte, damit sie in einer sich wandelnden Welt nicht verloren gehen. Der DGB fordert zu Recht eine faire Sozialpartnerschaft und eine verantwortungsvolle soziale Politik, denn eine immer größer werdende Macht der Märkte braucht dringend Grenzen. Arbeit muss gerecht entlohnt werden und wer arbeitet, darf durch diese Arbeit nicht krank werden. Das Projekt „Gute Arbeit“ ist hier ein Pfund des DGB, mit dem er etwas ganz Besonderes auf den Weg gebracht hat. Und wenn es um faire Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne für Beschäftigte aus dem europäischen Ausland geht, dann muss auch das Projekt „Faire Mobilität“ unbedingt erwähnt werden. Der DGB hat die Gesellschaft als Ganzes im Blick. Er kritisiert alle Formen von Armut, fordert menschenwürdige Renten, mahnt eine Politik an, die auch Erwerbslosen Chancen und Perspektiven eröffnet und setzt sich für die Gleichstellung von Frauen ein.

Gleichzeitig ist der DGB äußerst streitbar, wenn es um den Kampf gegen soziale Ausgrenzung, Intoleranz, Demokratiefeindlichkeit und Rechtsextremismus geht. Gerade in Zeiten von zunehmendem Rechtspopulismus, von Fake-News, die zu Wahrheiten stilisiert werden, von wachsendem Fremdenhass und offenem Rechtsradikalismus ist der DGB ein unverzichtbares Korrektiv. Unser Grundgesetz garantiert Rechte. Werte garantieren kann es aber nicht. Das ist die Aufgabe von uns allen und die Aufgabe gesellschaftlicher Organisationen wie dem DGB. Der Gewerkschaftsbund meistert diese Aufgabe par excelence, denn er steht für Offenheit, Toleranz, Achtung und Respekt. Mit diesen Werten ist er ein Garant für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Und den Zusammenhalt brauchen wir dringend in Zeiten des durchgreifenden Wandels. Denn die Klimakrise ist längst auch bei uns spürbar. Extreme Kälte, extreme Trockenheit, außer Kontrolle geratene Waldbrände und Extrem-Niederschläge mit Überschwemmungen haben deutlich zugenommen. Und die Schülerinnen und Schüler von Fridays for Future zeigen seit fast einem Jahr eindringlich, dass es jetzt an der Zeit ist, entschlossen etwas gegen die Klimakrise zu tun. Um hier erfolgreich sein zu können, muss unsere Wirtschaft sozial-ökologisch transformiert werden. Und gleichzeitig sorgen Digitalisierung und Fachkräftemangel für große Veränderungen in unserer Gesellschaft. Ein solch gewaltiger Umbruch ist ohne die Mitwirkung der Gewerkschaften des DGB nicht zu stemmen.

Der DGB hat immer wieder gezeigt, dass er und seine Mitgliedsgewerkschaften tragfähige Lösungen entwickeln können, wenn Wirtschaft und Gesellschaft besonders gefordert sind. Und auch heute, in Zeiten des Strukturwandels und der Digitalisierung, in denen sich ganze Branchen umwälzend verändern, brauchen wir das Know-How und die Ideen der Gewerkschaften, um unsere Gesellschaft gemeinsam sozial-ökologisch zu transformieren. So wird etwa die ökologische Modernisierung der Automobilindustrie die Sozialpartner und Beschäftigten vor große Herausforderungen stellen. Um eine gesellschaftliche Akzeptanz für das Elektroauto mit all seinen Facetten sicherzustellen, müssen daher die Klimaaspekte und auch die Perspektiven der Beschäftigten zusammengedacht werden. Wir brauchen nicht weniger als einen neuen Gesellschaftsvertrag, der adäquate Antworten sowohl auf die ökologischen und die sozialen Fragen gibt. Und solch ein Gesellschaftsvertrag ist ohne den Gewerkschaftsbund und seine Mitgliedsgewerkschaften einfach undenkbar.

Der DGB und seine Mitglieder sind deshalb wichtige Partner in unserem grünen Gewerkschafts- und Sozialbeirat, denn dort beraten wir gemeinsam tragfähige Konzepte für die Zukunft unserer Gesellschaft. Die ökologische Transformation muss so ausgestaltet werden, dass sie für die Beschäftigten mit Chancen und neuen Perspektiven für gute Arbeit verbunden wird. Und natürlich geht es auch in dieser Zukunft darum, dass die Rechte der Beschäftigten ausgebaut werden und nicht unter die Räder der Transformation geraten. Es geht um bessere Mitbestimmungsrechte in Zeiten der Digitalisierung und es geht um gute Arbeit, die nicht krank macht, sondern den Menschen ein gutes Leben ermöglicht.

Zum Glück müssen Organisationen weder mit 65 noch mit 67 geschweige denn mit 70 Jahren in Rente gehen. Lieber DGB, bleib daher streitbar, geh mit der Zeit, wandel dich, bleib gleichzeitig hartnäckig, schreib dir die sozial-ökologische Transformation auf deine Fahnen und lass uns den Weg, der vor uns liegt, gemeinsam gehen. Denn zusammen können wir unsere Gesellschaft so gestalten, dass ein gutes Leben in Freiheit und Würde für alle möglich ist.

Link zur Homepage der Heinrich-Böll-Stiftung

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