Inhalt

27.06.2013

Rede zu Protokoll: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt

Dieses wichtige Thema erhielt von den Regierungsfraktionen einen schlechten Tagesordnungsplatz und wurde zu Protokoll gegeben. Zudem glänzt die Bundesregierung auch bei diesem Thema mit Unfähigkeit. Gewerkschaften, die Wissenschaft und Krankenkassen aber schlagen mittlerweile Alarm, doch die Regierung stellt auf taub und setzt auf Freiwilligkeit. Wir brauchen dringend eine Anti-Stress-Verordnung und alterns- und altersgerechte Arbeitsplätze, damit die Menschen gesund bis zu ihrer Rente arbeiten können.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Regierungsfraktionen in diesem Hause lieben den Schein. Und sie lieben es, Placebos zu produzieren. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Antrag mit dem Titel „Für eine humane Arbeitswelt – Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken“. Eigentlich ist es ein schöner Titel, der viel verspricht. Doch diese Versprechen werden – wie so oft bei dieser Regierung – nicht gehalten. Denn in dem Antrag findet sich nichts von dem wieder, was da vollmundig versprochen wird: Keine humane Arbeitswelt – und erst recht keine Stärkung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz!

Es reicht auch nicht, dass mittlerweile die zwei Wörtchen „psychische Belastung“ an passender Stelle in das Arbeitsschutzgesetz aufgenommen wurden. Wir brauchen klare Regelungen im Arbeitsschutz – wir brauchen eine Anti-Stress-Verordnung, die wir den Menschen in den Betrieben an die Hand geben können und mit der auch die Aufsichtsbehörden gut arbeiten können. Nur eine Anti-Stress-Verordnung sorgt dafür, dass Arbeitsplätze künftig sicher und stressfrei werden.

Viele Experten sehen das wie wir. Bei unserer Anhörung zur Anti-Stress-Verordnung sprachen sich Betriebsräte, Soziologen und Juristen, die Gewerkschaften und der Deutsche Beamtenbund, Betriebsärzte und die Kammer der Psychotherapeuten einhellig für eine solche Verordnung aus. Und viele von ihnen konstatieren, dass die zunehmenden psychischen Erkrankungen häufig aus der Arbeitsorganisation oder Arbeitszeitgestaltung resultieren. Nur die Regierungsfraktionen ignorieren diese Entwicklungen in der Arbeitswelt.

Doch eben diese Entwicklung wird uns betriebs- und volkswirtschaftlich viel kosten, wenn wir – so wie die Regierungsfraktionen – einfach nur abwarten und mal schauen, was so passiert. So werden wir nicht verhindern, dass immer mehr Menschen aufgrund psychischer Belastungen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. 42,1 Prozent sind es nach neusten Zahlen der deutschen Rentenversicherung Bund.

So werden wir auch nicht verhindern, dass mehr als ein Drittel dieser Erwerbsminderungsrentner und – rentnerinnen von Armut bedroht sind. Auch das fand die Deutsche Rentenversicherung Bund unlängst heraus. Denn von einer Erwerbsminderungsrente allein lässt sich kaum leben. Den Regierungsfraktionen scheint das egal zu sein. Sie setzen weiter auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen. Doch das immer wieder strapazierte Prinzip der Freiwilligkeit funktioniert eben nicht bei deutschen Managern und dem Arbeitsschutz. Immerhin – so das ESENER-Survey – brauchen 90 Prozent der deutschen Unternehmen eine gesetzliche Verordnung, um im Gesundheitsschutz tätig zu werden.

Dieses Ergebnis müssen die Regierungsfraktionen endlich ernst nehmen. Sie setzen doch sonst auch auf die Forschung und fordern, dass in Sachen psychische Gefährdungen am Arbeitsplatz noch mehr untersucht und geforscht werden müsse. Denn die Zusammenhänge von Arbeitsbedingungen und psychischer Belastung seien noch nicht wirklich klar. Dabei können psychische Belastungen am Arbeitsplatz inzwischen ziemlich sicher identifiziert werden – das hat die Wissenschaft bei unserer Anhörung bestätigt. Außerdem lohnt ein Blick über die Grenzen unseres Landes. Immerhin ist die Forschung zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz in den skandinavischen Ländern umfassend und ausführlich.

Für eine humane Arbeitswelt tun diese Regierung und die dazugehörigen Fraktionen nichts. Sie rühren nicht einmal den kleinen Finger. Stattdessen lobt ihr Antrag eigene kleine Regierungsaktivitätchen und belässt es ansonsten bei Appellen. Damit ist es nicht getan.

Uns Grünen ist das zu wenig. Wir nehmen die Beschäftigten und die vorliegenden Daten ernst. Uns geht es um die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen. Notwendig sind eine Anti-Stress-Verordnung und alters- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen, denn die Menschen müssen die Chance haben, gesund bis zur Rente arbeiten zu können.