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23.07.2021

Albtour 2021 – Tag 2

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Der zweite Tag meiner Tour de Alb begann mit einer Herde Eseln mitten auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Münsingen. Mit unseren Rädern ging es weiter nach Hengen bei Bad Urach, wo wir uns den Tante-M-Laden anschauten. Von Hengen aus ging es weiter nach Hülben, wo wir am Hofladen Jasmin Stiefel trafen, die uns von ihrem Geflügelhof erzählte. Und am späten Nachmittag trafen wir uns in der Hebammenpraxis der Albklinik Münsingen zum fachlichen Austausch mit den Geburtshelferinnen.

Seit gut einem Jahr gehören nicht nur die Schafherden zum Landschafts- und Kulturpflegebild des ehemaligen Truppenübungsplatzes bei Münsingen, sondern auch rund 40 zottelige Esel. Wo sie stehen, ist die Wiese saftiger und grüner als direkt ein Flurstück weiter. Unsere Trüp-Guide Ursula Bader-Frommelt weiß warum. Denn die Esel fressen immer das trockene Zeug, das die heideähnliche Landschaft des Trüp prägt. Und wenn die trockenen Gräser und Disteln erst einmal weg sind, können grüne Pflanzen nachwachsen. Zutraulich kommen die Tiere zu uns an den Zaun. Darunter auch viele wunderhübsche Fohlen, die sich von mir gerne streicheln lassen. Ich muss sagen, Esel sind wirklich knuffige Tiere. Auf den Wiesen des Trüp blüht es üppig – wilder Majoran, Salbei, Wirbeldost oder Labkraut wachsen am Wegrand. Und die Insekten surren und summen wie toll. Die Naturvielfalt des Trüp lockt daher seit Jahren Touristen. Vor Corona, so erzählt uns Hans-Peter Engelhard, Leiter der Touristik Münsingen, der uns begleitet, besuchten pro Jahr 160 Bustouren den Trüp, 50 bis 60 Wanderungen und an die 40 geführte Radtouren fanden statt. In Zeiten der Pandemie ist das deutlich weniger geworden. Die Busse fahren so gut wie gar nicht mehr. Stattdessen gibt es viele kleine individuell geführte Touren, die die Trüp Guides anbieten.

In Hengen bei Bad Urach treffen wir Christian Maresch – den Mann, der gerade erst beginnt, den Lebensmittelhandel zu revolutionieren und das fasziniert Bürgermeister Elmar Rebmann auch, der mit dabei war. Der erste Laden entstand im Juli 2019 in Grafenberg. Inzwischen gibt es in der Region zwölf Tante-M-Läden, bis Ende des Jahres werden noch neun weitere Läden eröffnet, zwei davon auch in Bayern. Denn die Idee von Maresch findet Anklang. Geöffnet sind die Läden 7 Tage die Woche von 5 bis 23 Uhr. Nur dreimal pro Woche gibt es in Hengen feste Servicezeiten von  ein bis zwei Stunden. Dann kommen vor allem die älteren Kund:innen gerne, denn sie finden das Konzept der Tante M etwas gewöhnungsbedürftig und nehmen vor allem an der Selbstzahlerkasse gerne Hilfe in Anspruch. In den Läden gibt es alles für den täglichen Bedarf. Obst und Gemüse pausiert gerade wegen der Hitze bis September, aber dann liefern Bauern der Region wieder Frische ins Regal. Die Backwaren kommen vom Bäcker Beck, frisches Fleisch bringen Metzger aus der Region und  Milchprodukte, Konserven oder Chips und Schokolade liefern Edeka und ein weiterer Lebensmittelgroßhändler. Nur Alkohol wird nicht verkauft, denn dafür braucht es reguläres Personal, denn sonst könnten Kinder ihn ja in die Finger bekommen. Geklaut wird genau so oft wie im regulären Einzelhandel, erzählt Maresch. Da wo den Menschen Vertrauen entgegengebracht wird, kann auch ihnen vertraut werden, ist seine Maxime. Das Konzept geht auf, Beinah 100 Kund:innen kommen täglich in seine Läden.

Jasmin Stiefel hat eine ganz andere Leidenschaft. Sie und ihr Mann widmen ihr Leben seit gut zwei Jahren den inzwischen 70 Gänsen, fast 200 Hühnern, rund 30 Enten, fünf Puten und sechs Rindern. Die Stiefels besuchen wir in Hülben, wo sie leben und einen kleinen Hofladen betreiben. Doch hier gibt es einfach keine Wiesen, die Jasmin Stiefel pachten könnte. Deshalb leben ihre Legehühner und die Milchener Hennen – eine bedrohte alte Rasse – zusammen mit Emdener Gänsen, Puten und Enten auf Opas Weiden bei Neuffen. Und dort leben sie das gesamte Jahr über, egal, ob es regnet oder schneit oder die Sonne scheint. Für die Hühner gibt es einen Wohnwagen und ein Weidezelt, falls es ihnen mal zu nass wird. Doch ansonsten lieben die Tiere alle das freie Leben auf den Wiesen. Der Puterich etwa schützt die Hühner vorm Habicht. Bevor sie den hatte, erzählt Jasmin Stiefel, verlor sie pro Woche fünf Hühner an den Raubvogel. Doch jetzt schlägt der Puterich sein Rad, und wenn das nicht reicht, dann greift er den Habicht auch an. Gustav der Ganter ist ähnlich radikal. Er attackiert die Füchse, falls sie den Elektrozaun tatsächlich mal überwinden. Stiefels Gänse werden zum größten Teil zur Weihnachtzeit zum Schlachter gebracht, ihre Kunden haben schon heute vorbestellt und können sich den Weihnachtsbraten frisch am Schlachttag bei ihr abholen. Genauso vermarktet sie ihre Brathähnchen selbst. Doch nicht alle Tiere dürfen geschlachtet werden. Manche sind den Stiefels so ans Herz gewachsen, dass schon heute klar ist, die dürfen bis ans Ende ihrer Tage die Weide unsicher machen. Verlieben tut sich Jasmin Stiefel nicht selten in anhängliche Küken.  Denn die Jungen leben nach der Geburt erst einmal acht Wochen im Haus in Hülben, bevor sie zurück auf die Weide dürfen. Dann leben sie wie eine WG zusammen, erzählt Jasmin Stiefel, und gucken sogar manchmal zusammen fern.

Gegen Abend habe ich mich dann noch mit Stefanie Sailer, ihren Hebammen-Kolleginnen und Bürgermeister Mike Münzing in der Albklinik in Münsingen getroffen. Sechs Hebammen, fünf von ihnen waren schon in der Geburtsstation der Albklinik beschäftigt, arbeiten jetzt zusammen in der Hebammenpraxis Münsingen. Und die ist seit vergangenem Jahr in der ehemaligen Geburtsstation der Albklinik zu finden. Zu Beginn war es für die Hebammenpraxis schwer, dafür sorgte Corona. Denn gerade als die sechs Hebammen engagiert loslegen wollten, wurde die Albklinik aufgrund der Pandemie für Besucher:innen geschlossen, und in solch einer Situation fanden auch schwangere Frauen nicht  ihren Weg zu den Hebammen. Die Betreuung von schwangeren Frauen braucht Qualität wie hier in Münsingen, und die muss auch anständig bezahlt werden. Es ist einfach an der Zeit, dass der Beruf der Hebammen aufgewertet wird. Und gerade für den ländlichen Raum ist es auch wichtig, wirkliche Rundumbetreuung leisten zu können. Geburten finden in Münsingen seit 2018 nicht mehr statt. Schwangere Frauen müssen dafür 30 bis 45 Minuten fahren, um in Reutlingen, Nürtingen oder Ulm ihr Kind zur Welt zu bekommen. Und das ist Frauen einfach nicht zumutbar. Ich denke deshalb, es muss alles dafür getan werden, dass die Geburtsstation zurückkehrt in die Albklinik in Münsingen.

Tourplan 2021