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30.07.2022

Albtour 2022 – Tag 10

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Den letzten Tag meiner Albtour gehen wir ganz gemütlich an. Wir fahren zum Alten Lager und treffen in „Annegrets Welt“ Sarah Rong Schweizer und ihre „Lauterkatz“. Anschließend zeigt uns Albgut-Macher Franz Tress seine Energievorhaben für das Gelände. Dann besuchen wir das alte Lazarett, das ein Museum werden soll. Am Nachmittag besuchen wir Bernd Weckler auf dem Münsinger Bahnhof. Und abends treffen wir beim Stadtfest noch das Komitee zur Erhaltung der Kirche in Gruorn.

Zum Ausklang der Albtour besuchen wir das Alte Lager auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz bei Münsingen. 1895 wurde es vom württembergischen König Wilhelm II. als Militär- und Kasernenanlage gebaut, und heute birgt es das Albgut von Franz Tress. Zu uns stoßen heute Cindy Holmberg und Thomas Poreski – meine Kolleg:innen aus dem Stuttgarter Landtag. Vor der kleinen Manufaktur von Annegrets Welt treffen wir Sarah Rong Schweizer. Die 15-jährige hat in den Zeiten von Pandemie und Homeschooling Abwechslung gesucht. Seither schreibt, zeichnet und näht sie. Ihren bunten Lauterkatzen kann ich als Katzenfan natürlich nicht widerstehen. Verkauft werden die Kätzchen mit den spitzen Ohren und dem steil aufgerichteten Schwanz im Albgut, im Postshop in Gomadingen und auch online.  Außerdem schreibt Schweizer Geschichten und Romane für Kinder. Im Juni erschien ihr Fantasy-Roman „Mika Goldeye und der geheime Zirkel der Zauberer“ über eine junge Magierin und ihre Abenteuer. Vertrieben werden ihre Bücher nur über Amazon. Per Internet kommt das faszinierende Mädchen so von der Alb hinaus in die große weite Welt.

Wenn ich in der Nähe von Annegrets Welt bin, dann muss ich da auch rein. Es ist schön dort. Es gibt Genähtes. Schöne Mitbringsel aus Holz, Stoff, Papier und alles mit viel Liebe gemacht. Es ist wirklich ein Wohlfühlort. Danach stehen plötzlich Simone und Christian vor uns – beide wieder Corona-negativ. Das ist eine wirklich schöne Überraschung. So sieht sich mein gesamtes Albtour-Team diesmal immerhin für ein paar wenige Stunden im Alten Lager.

Vor einer der vielen Manufakturen des albguts treffen wir Franz Tress, der das Alte Lager zu seinem Ding gemacht hat, saniert und renoviert und das albgut aufgebaut hat. Gleich am Anfang gibt es einen energiepolitischen Austausch, denn der Ukrainekrieg und mit ihm die neue Energiekrise gehen auch am albgut nicht einfach so vorbei. Danach schwingt sich Tress auf sein Fahrrad und fährt mit uns an den Rand des Lagers zum alten Lazarett. Die Krankenstation ist derzeit eine der größten Baustellen im albgut. Früher wurde es zunächst von deutschen Soldaten, später dann von französischen genutzt. Dann war das Gebäude jahrelang dem Verfall überlassen und sollte eigentlich abgerissen werden. Doch Tress entschied sich, es zu retten. Das Dach musste teils erneuert werden, alte Wände wurden neu gebaut, das Haus wurde oben mit neuen Schindeln verkleidet. In Zukunft soll das Haus auch für das Publikum offen stehen. Tress will Führungen durch das alte Lazarett machen. Die Zeit im albgut klingt zusammen mit Franz Tress im Café Leib und Seele aus.

Am Nachmittag fahren wir wieder nach Münsingen zum dortigen Bahnhof, wo Bernd Weckler, der Chef der Schwäbischen Alb-Bahn, auf dem Bahnsteig für uns die Kaffeetafel gedeckt hat. Auch bei der Schwäbischen Alb-Bahn ist das Problem Nummer eins die Personalsituation. Wie alle Bahnen im Land braucht auch die Alb-Bahn Lokführer. „Wir können auf dem eng umkämpften Markt mit unserem Firmensitz mitten auf dem Lande nur sehr bedingt mit den Vorzügen urbaner Arbeitgeber konkurrieren, dazu kommt aktuell die Corona-Sommerwelle“, sagt Bernd Weckler. Damit keine Züge ausfallen müssen, springen Prokurist und Geschäftsführer beim Fahren ein. Gerade ist einer der Lokführer zur Deutschen Bahn gewechselt, denn da gibt es neuerdings 42 Tage Urlaub. Das kann Weckler seinen Mitarbeiter:innen nicht bieten. Aber dafür ist seine Schwäbische Alb-Bahn für viele, die dort arbeiten, längst Familie. Um Personal zu gewinnen, setzt Weckler verstärkt jetzt auf die Quereinsteigerausbildung. Mit dabei sind im aktuell laufenden Kurs, den die SAB selbst durchführt, vier 40 bis 50-Jährige, die in der Umgebung wohnen, sich umorientieren wollten und jetzt zu Lokführern ausgebildet werden.

Im Moment sind die Züge voll, wie schon lange nicht mehr noch nie. Dafür sorgt auch auf der Alb das 9-Euro-Ticket. Allerdings gibt es bei der Schwäbischen-Alb-Bahn keine völlig überfüllten Züge. Stattdessen fahren mehr Pendler morgens mit der Bahn zur Arbeit. Und natürlich nutzen Einheimische und Tourist:innen das Ticket für Ausflugsfahrten mit der Bahn. Weckler findet das natürlich gut. „Bei allen Bedenken, die ich in Bezug auf die Überlastung des Gesamtsystems hatte“, sagt er, „ist das 9-Euro-Ticket für die Schwäbische Alb-Bahn eine gute Sache.“ Denn das Ticket wird angenommen und zeigt, es gibt einen echten Bedarf. Jetzt muss sich nur noch das Angebot verbessern. Und außerdem könnte das Ticket weiterentwickelt werden. Ein Deutschlandticket, findet Weckler, wäre da der richtige Schritt.

Gegen Abend startet dann in Münsingen wieder das zweitägige Stadtfest. Auf dem Platz hinter der Kirche treffen wir uns mit Alfred Weber und anderen Mitgliedern des Komitees zur Erhaltung der Kirche in Gruorn. Das Dorf Gruorn musste in der Zeit des Nationalsozialismus der Erweiterung des Truppenübungsplatzes bei Münsingen weichen. 1939 wurden die damals 665 Bewohner:innen alle zwangsumgesiedelt. Übrig blieb von dem Dorf bis heute das alte Schulgebäude und die Kirche. Und die muss dringend saniert werden, wenn sie erhalten bleiben soll. Allerdings würde das rund eine Million Euro kosten. Eigentümer der Kirche ist inzwischen der Bund, verwaltet wird sie daher von der BIMA der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Und die hat einen Pachtvertrag mit dem Komitee. Die Sanierung ist also keine einfache Sache. Und bisher fehlt ein schlüssiges Konzept des Komitees, das die Kirche nicht isoliert betrachtet, sondern einbindet in ihre Umgebung. Und das ist nicht nur der ehemalige Ort Gruorn, das ist vor allem seit 2008 das Biosphärengebiet Schwäbische Alb in dem Gruorn liegt. Weber und seine Mitstreiter bitten mich um Hilfe. Mit einem solchen Konzept, das verspreche ich, kann ich in Berlin sehen, was sich machen lässt.