Inhalt

06.11.2015

Antrag und Rede: Frauen verdienen gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit

Wir brauchen endlich eine politische Strategie, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Denn Entgeltgleich ist keine Verhandlungssache und Entgeltdiskriminierung ist auch kein individuelles Problem der Frauen. Die Bundesregierung plant mehr Transparenz in großen Betrieben – das ist uns zu wenig. Notwendig sind verbindliche Regelungen und deshalb habe ich einen Antrag in den Bundestag eingebracht.

Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Frauen starten qualifiziert ins Berufsleben, und sie haben häufig auch die besseren Berufsabschlüsse als Männer. Während der Ausbildung ist die Welt noch in Ordnung. Doch kaum sind die Prüfungen vorbei, geht es schon los, dass sie weniger verdienen als Männer. Betroffene Mienen und Symbolpolitik bringen uns hier kein Stück weiter. Es ist wirklich an der Zeit, dass Frauen für das, was sie leisten, auch gerecht entlohnt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Seit Jahren diskutieren wir über diese Ungerechtigkeit und müssen uns dabei auch allerlei Unsinn anhören. Ganz Schlaue meinen beispielsweise, Frauen sollten halt mehr technische Berufe erlernen, dann würden sie auch mehr verdienen. Aber die Entgeltdiskriminierung ist nicht allein ein Nischenproblem der klassischen Frauenberufe, sondern sie zieht sich quer durch alle Beschäftigungsfelder. Natürlich verdient eine Bauingenieurin mehr als eine Altenpflegerin, aber und hier liegt das Problem, sie verdient dennoch weniger als ihr männlicher Kollege. Und das ist nicht akzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ein paar Zahlen und Fakten: Frauen mit Hochschulabschluss verdienen 24 Prozent weniger als Männer, Fachhochschulabsolventinnen sogar 28 Prozent. Zudem bekommen Frauen weniger Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und Gewinnbeteiligung, und sie werden seltener befördert als Männer. Wie das in der Realität aussieht, zeigen auch Beispiele, die bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ankommen. Eine Geschäftsführerin bekam beispielsweise weniger Bonus als ihr Kollege, obwohl sie die bessere Leistungsbeurteilung hatte. Auch eine Pastorin der Diakonie wurde benachteiligt. Und ein ganz krasses Beispiel: Eine Schlosserin klagte, dass sie nur 11,50 Euro in der Stunde verdient, die Männer im gleichen Betrieb aber 19 Euro. Ihr Chef hatte damit aber überhaupt kein Problem und sagte ihr ins Gesicht, sie sei nun einmal eine Frau und das würde alles erklären. Kurzum: Schlechter bezahlte Arbeit ist häufig noch immer Frauensache. Und damit muss endlich Schluss sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Darüber hinaus gibt es noch die sogenannte mittelbare Entgeltdiskriminierung; denn es geht nicht allein darum, dass Arbeit gleich bezahlt wird, sondern es geht auch um gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Aber frauendominierte Berufe werden deutlich schlechter bezahlt als männerdominierte klassische Industrieberufe. Auf ein Berufsleben gerechnet, also auf 40 Jahre, beträgt beispielsweise der Lohnunterschied zwischen einer Erzieherin und einem Kfz-Mechaniker rund 211 000 Euro. Deshalb gingen auch die Streikenden aus den Sozial- und Erziehungsberufen in diesem Jahr zu Recht auf die Straße. Ihnen ging es um die längst überfällige Aufwertung ihrer Arbeit; denn Wertschätzung und Anerkennung sehen anders aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Cornelia Möhring (DIE LINKE))

Transparenz in großen Unternehmen zu schaffen, liebe SPD, ist als Lösung zu wenig. Da hilft auch kein schönes Bild mit roten Equal-Pay-Taschen. Wir fordern in unserem Antrag hingegen echte, verbindliche Regelungen. Die Tarifpartner sollen zukünftig ihre Tarifverträge und die Betriebe ihre nichttariflichen Entgeltstrukturen überprüfen, und zwar auf der Grundlage von geschlechtsneutralen Kriterien und mithilfe eines analytischen Arbeitsbewertungsverfahrens. Natürlich müssen festgestellte Entgeltdiskriminierungen dann auch innerhalb einer Frist beseitigt werden. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes soll für Stichproben eine Kontrollbefugnis erhalten. Notwendig sind Sanktionen, vor allem auch ein Verbandsklagerecht; denn wir brauchen ein wirksames Gesetz und keinen zahnlosen Tiger.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Cornelia Möhring (DIE LINKE) – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Dann müssen nicht die Verbände klagen! Das kann auch jeder Einzelne!)

Der Aufwand kann, gerade für kleine Betriebe, durch Tools und Hilfsmaterialien angemessen klein gehalten werden. Falls Sie solch ein Gesetz dennoch gleich wieder als Bürokratiemonster bezeichnen, halte ich dem entgegen: Das Recht auf Entgeltgleichheit ist im Grundgesetz verankert. Allein schon das Abwägen zwischen Grundrecht und bürokratischem Aufwand ist für uns nicht akzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Cornelia Möhring (DIE LINKE))

Sehr geehrte Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, es besteht kein Mangel an Fakten, und doch existiert in Deutschland bis dato keine umfassende politische Strategie, um den Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ durchzusetzen. Aber genau solch eine Strategie ist notwendig; denn Entgeltgleichheit ist keine Verhandlungssache, und Entgeltdiskriminierung ist auch kein individuelles Problem der Frauen, sondern ein gesellschaftliches Problem. Mit unserem Antrag liegt jetzt solch eine Strategie auf dem Tisch. Werden Sie also endlich tätig! Denn Frauen verdienen mehr.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

 

Rede als PDF

Antrag