Inhalt

14.03.2017

Diskussion zur Digitalisierung und Zeitsouveränität in Karlsruhe

17-03-15_Karlsruhe

Meine Fraktionskollegin Sylvia Kotting-Uhl hatte mich zu dieser spannenden Diskussion nach Karlsruhe eingeladen. Die Arbeitswelt verändert sich, mit ihr die Wünsche der Beschäftigten. Arbeit wird flexibler, die Arbeitsintensität steigt und die Digitalisierung wird das alles noch verstärken. Gleichzeitig wünschen sich die Beschäftigten mehr Zeit für sich und für ihre Familie, um nicht ständig hetzen zu müssen. Gemeinsam mit den Gästen haben wir darüber diskutiert, wie grüne Politik mehr Zeitsouveränität schaffen will, denn Arbeitszeit ist Lebenszeit.
 
Grenzenlos, gehetzt, gestresst – die Arbeitswelt hat ihren eigenen Takt. Und der wird immer schneller. Meine Kommentar dazu war bei der Veranstaltung: Den Menschen geht die Puste aus. Wir brauchen mehr soziale Leitplanken. Und da ist die Politik gefragt. Denn die kann beispielsweise dafür sorgen, dass der Arbeitsschutz sich endlich gezielt das Problem Stress am Arbeitsplatz vornimmt. Denn Leistungsdruck und oft eine viel zu dünne Personaldecke führen zu Mehrarbeit und sorgen für Hetze und Stress. Gleichzeitig setzen prekäre Arbeitsverhältnisse die Menschen mehr und mehr unter Druck. Leiharbeitsplätze nehmen wieder zu. Und Arbeit auf Abruf ist inzwischen ein gängiges Arbeitsmodell, das die meisten Beschäftigten stresst, denn sie werden kurzfristig zur Arbeit gerufen, so dass die Arbeitszeiten hier gar nicht mehr planbar sind. Viele Menschen reagieren auf zu viel Stress mit psychischen Erkrankungen. Und die sind inzwischen der Hauptgrund für die Erwerbsminderungsrente. Geht es um Dezibel und Lärm, dann existieren konkrete Arbeitsschutzverordnungen, beim Stress fehlt die jedoch.

Mit der Digitalisierung wird sich die Arbeit noch stärker verändern. Viele Menschen haben die Befürchtung, sie könnten auf ihrem Arbeitsplatz durch einen Roboter ausgetauscht werden. 80 % der Menschen sehen skeptisch in die digitale Zukunft. Dabei birgt diese Zukunft durchaus Chancen, aber zugleich auch Risiken. Arbeit kann selbstbestimmter werden, sie kann aber auch entgrenzen, wenn durch Laptop und Smartphone alle jederzeit erreichbar sind. Arbeit und Freizeit verschwimmen dann schnell. Bei Projektarbeit oder der Vertrauensarbeitszeit ist das heute schon erlebbar, deshalb sollen die Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht bei der Menge der Arbeit erhalten. So bekommen Beschäftigte Unterstützung wenn sie die Arbeitsmenge nur mit vielen Überstunden bewältigen können. Die Digitalisierung muss unbedingt politisch gestaltet werden. Und das betrifft auch die zunehmende Zahl von Soloselbstständigen, die schlecht honoriert werden und für die auch Mindesthonorare eingeführt werden müssen. Interessant war hier, dass in der Diskussion wieder einmal ein Grundeinkommen angesprochen wurde. Immer mehr Menschen sehen in dieser Vision eine konkrete Antwort auf die heutigen Probleme.

Dann ist da noch die ganz normale Arbeitszeit, die schon heute aus dem Ruder läuft. 820 Millionen Überstunden werden inzwischen pro Jahr gemacht. Das allein ist schon zu viel, zumal nochmals 940 Millionen Überstunden dazu kommen, die nicht einmal bezahlt werden. Daher ist es an der Zeit, Beschäftigten endlich mehr Rechte mit Blick auf ihre Arbeitszeit einzuräumen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen bei der Lage ihrer Arbeitszeit mehr mitbestimmen und sich auch für einen oder zwei Tage Homeoffice entscheiden können. So sollen die Menschen mehr Souveränität über die eigene Arbeitszeit bekommen. Denn zum Leben gehört ja neben der Arbeit noch viel mehr: da sind die Kinder, die Pflege der eigenen Eltern, das Engagement in einem Verein oder bei einer Hilfsorganisation, und dann braucht jeder Mensch auch noch einfach Zeit für sich. Denn wir leben nicht, um zu arbeiten, sondern wir arbeiten um gut zu leben.