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06.02.2019

Eröffnung Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) Reutlingen

Ich habe mich sehr gefreut, dass ich bei der Eröffnungsfeier der EUTB-Beratungsstelle, die eine Kooperation zwischen Landesverband und dem Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte hier in Reutlingen ist, ein Grußwort halten durfte. Denn die Arbeit der Beratungsstelle ist enorm wichtig für die Betroffenen und ihre Angehörigen, denn hier bekommen sie Unterstützung auf Augenhöhe. Es war eine sehr schöne Feier und ich wünsche den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen guten Start.

Mein Grußwort:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte mich erst einmal ganz herzlich für die Einladung bedanken. Ich bin sehr gerne gekommen, denn uns Grünen und mir als Sozialpolitikerin liegt das Thema Inklusion sehr am Herzen. Unser Ziel ist eine inklusive Gesellschaft, die die Würde der Menschen in den Mittelpunkt stellt. Alle Menschen sollen selbstbestimmt am gesellschaftlichen, sozialen und beruflichen Leben teilhaben können. Und genau das entspricht ja auch dem Geist der UN-Behindertenrechtskonvention.

Aber wir alle hier wissen: Inklusion ist gerade für Menschen mit Behinderung noch lange nicht erreicht. Der Weg dorthin ist noch lang und auf dem Weg gibt es noch viele Barrieren und Hürden. Und daran hat auch das Bundesteilhabegesetz nur wenig verändert. Das Wunsch- und Wahlrecht ist aus unserer Sicht noch immer eingeschränkt. Menschen mit Behinderungen können noch immer gezwungen werden, in Heimen zu leben. Für Menschen, die einen besonders hohen Unterstützungsbedarf haben, bringt das Gesetz gar nichts. Auch Assistenz in der Freizeit ist beispielsweise immer noch keine Selbstverständlichkeit – das muss weiterhin erstritten werden.

Die Bundesregierung hatte ein modernes Teilhabegesetz versprochen. Was wir jetzt haben, ist aber nichts anderes als ein kompliziertes Regelwerk. Vieles ist auch noch unklar: wer wird zukünftig leistungsberechtigt sein? Wie werden die Zugänge definiert? So entsteht Unsicherheit.

Wegen dieser Unsicherheit und weil es beim Bundesteilhabegesetz noch viel Luft nach oben gibt, ist gerade die „Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung“ enorm wichtig. Dafür haben wir uns damals im parlamentarischen Verfahren auch stark gemacht. Und ich freue mich wirklich sehr, dass Sie sich – gerade als Selbsthilfe-Verband – für eine Beratungsstelle beworben haben und dass für die Kooperation zwischen Landesverband und dem Verein für Körper- und Mehrfachbehinderte hier in Reutlingen auch Mittel bewilligt wurden.

Die Beratungsstelle wird jetzt eine wichtige Anlaufstelle für Menschen, die Unterstützung und vor allem viel Empathie brauchen. Sie werden den Menschen helfen, den richtigen Weg durch den Paragrafendschungel zu finden. Dabei geht es um Bildungsfragen, welcher Kindergarten oder welche Schule geeignet ist? Wer ist zuständig – die Kranken- oder Pflegeversicherung? Stichworte sind: Selbstbestimmtes Wohnen, Persönliches Budget, Assistenz, Budget für Arbeit. Es geht um Hilfen in allen Lebenslagen. Und ganz zentral ist, dass die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen ihre Rechte und Ansprüche durchsetzen können.

Sie werden die Menschen individuell beraten und in ihrer Selbstbestimmung stärken. Die Beratung wird Mut machen und Sorgen, Nöte und Ängste nehmen. Das alles zeigt, dass Ihre Arbeit anspruchsvoll ist und Respekt, Wertschätzung und Anerkennung verdient.

Und damit das alles gelingen kann, braucht es eine „unabhängige“ Beratung. Es dürfen keine finanziellen Interessen im Vordergrund stehen. Im Mittelpunkt müssen allein die Menschen stehen, die Hilfe und Unterstützung brauchen. Und dafür ist eine Beratungsstelle eines Selbsthilfe-Verbandes besonders gut geeignet. 

Ein Aspekt ist mir abschließend auch noch wichtig. Eine Beratungsstelle kann nur gute Arbeit machen, wenn auch die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu gehört, dass die Beratungsstellen finanziell gut ausgestattet sind. Wenn ich jetzt aber höre, dass Sie aufsuchende Beratung anbieten sollen, aber die notwendigen Reisekosten nicht zur Verfügung stehen, dann wird Ihnen die Arbeit schwer gemacht. Und das geht gar nicht. Vor allem brauchen Sie als Beratungsstelle unbedingt Planungssicherheit. Die Mittel sind aber nur bis 2020 bewilligt und niemand weiß, wie es dann weitergeht. Auch das ist nicht akzeptabel. Die Beratungsstellen müssen finanziell abgesichert sein und zwar langfristig. Denn sonst bleibt Inklusion wieder nur ein Lippenbekenntnis. 

Heute wünsche ich Ihnen aber erst einmal einen guten Start. Und weil ich aus eigenen beruflichen Erfahrungen weiß, dass die Zusammenarbeit mit dem BMAS kompliziert, bürokratisch und anstrengend ist, wünsche ich Ihnen auch viel Kraft und vor allem viel Geduld.

Ich möchte mich heute bei Ihnen auch für Ihre Arbeit bedanken. Sie ist für die Menschen, die Unterstützung brauchen, wertvoll und wichtig. Und wichtig für uns – für unsere parlamentarische Arbeit – sind wiederum Ihre Erfahrungen in der Beratungsstelle. Denn das Bundesteilhabegesetz muss besser werden. Und deshalb werde ich auch bald wieder vorbei kommen und dann zum inhaltlichen Austausch.                                     

Vielen Dank!