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25.07.2014

Fachgespräch: Hebammen – ein Beruf der auszusterben droht

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Zum 1. Juli steigen die Haftpflichtprämien für Hebammen erneut auf über 5.000 Euro, im nächsten Jahr auf über 6.000 Euro und ab Mitte 2016 wollen die Versicherungsunternehmen dann gar keine Gruppenhaftpflichtversicherung mehr anbieten. In der Folge können immer weniger Hebammen noch Geburtshilfe leisten und immer mehr Geburtsabteilungen schließen bundesweit – aus Kostengründen. Um mir einen Überblick über die Versorgungssituation in der Region zu machen, habe ich in Reutlingen Hebammen zu einem Austausch geladen. Im Gespräch zeichneten die Hebammen ein dramatisches Bild.

Auch in der Region geben Hebammen auf und immer weniger neue Hebammen beginnen. Es bewerben sich auch immer weniger Frauen für eine Ausbildung als Hebamme. In der Konsequenz suchen schwangere Frauen inzwischen oft vergeblich nach freiberuflichen Hebammen, die sie vor, während und nach der Geburt begleiten. Denn die Hebammen müssen vermehrt Frauen abweisen, weil ihnen die Zeit fehlt. Und etliche Hebammen leisten inzwischen nur noch die Vor- und Nachsorge, denn dann müssen sie geringere Versicherungsprämien zahlen. Die Konsequenzen sind für mich eindeutig: Die Entwicklung bedeutet de facto ein Berufsverbot, weil Hebammen ohne Haftpflichtversicherung nicht arbeiten können. Gleichzeitig wird die freie Wahl der Eltern zu einem leeren Versprechen. Denn freie Wahl heißt ja, dass werdende Mütter zwischen Hausgeburt, Geburtshaus und Klinik wählen können. Doch das ist immer weniger möglich.

Der unlängst von Schwarz-Rot beschlossene Sicherstellungszuschlag für Hebammen mit wenigen Geburten muss für 2015 erst noch verhandelt werden. Gleichzeitig ist der jüngst ausgehandelte Wochenbett-Zuschlag in Höhe von 7 Cent nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, denn die Hebammen brauchen damit 100 Besuche, um die Erhöhung bei der Haftpflichtversicherung zu kompensieren. Vor allem ändern diese Maßnahmen weder etwas an der Höhe der Haftpflichtprämien, noch wird damit der Rückzug der Versicherungsunternehmen aus der Hebammen-Haftpflichtversicherung gestoppt.

Es ist höchste Zeit für eine tragfähige politische Lösung, die die Prämien wirklich senkt und den Hebammen wieder eine berufliche Zukunft sichert, Denn auch wenn die Anzahl der Schadensfälle insgesamt vergleichsweise gering ist, verursacht der einzelne Fall immer höhere Kosten, die eine kleine Berufsgruppe, die zudem nur wenig verdient, nicht tragen kann. Genauso wenig kann es sein, dass die einzelne Hebamme mit ihrem Privatvermögen dafür haften muss. Im Gespräch sind von daher seit langem eine Regressbeschränkung, ein Haftungsfonds oder unser grüner Vorschlag, die Regelungsprinzipien der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Berufshaftpflichtversicherung für alle Gesundheitsberufe zu übertragen.

Mit Lippenbekenntnissen muss endlich Schluss sein, das war die einhellige Meinung beim Austausch mit den Hebammen. Denn viel Zeit haben die Hebammen nicht mehr. Sind Strukturen erst einmal weggebrochen, kostet es viel Mühe und Zeit, sie wieder aufzubauen. Die Versorgung mit Hebammen ist eine gesellschaftliche Aufgabe und deshalb muss die Bundesregierung endlich Maßnahmen ergreifen, um die Versicherungssituation der Hebammen schnellstmöglich zu verbessern. Nur so kann die wohnortnahe Versorgung von Schwangeren weiterhin sichergestellt werden.

 

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