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13.10.2014

Fachgespräch: Supermacht Supermarkt - Arbeitsrechte in der globalen Lieferkette

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Ob an deutschen Supermarktkassen oder auf brasilianischen Orangenplantagen – an beiden Enden der globalen Lieferkette reicht der Lohn oft nicht zum Leben. Dies ist kein Zufall. In Deutschland dominieren vier Supermarktketten den Lebensmitteleinzelhandel. Unter dem Motto „Supermacht Supermarkt – Arbeitsrechte in der globalen Lieferkette“ luden mein Kollege Uwe Kekeritz und ich Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ein, um über die Marktkonzentration im deutschen Einzelhandel und die Auswirkungen im nationalen wie globalen Kontext zu diskutieren.

Am Anfang der Veranstaltung habe ich bei der Einführung auf eine Sektoranalyse hingewiesen, die eindeutig die Marktmacht von vier Einzelhandelskonzernen belegt. Diese Marktmacht ist so groß, dass vier Konzerne ökologische und soziale Standards setzen und so das Leben von Millionen von Menschen beeinflussen. „Arbeitsbedingungen“ oder „Löhne“ spielen bei den Wettbewerbshütern aber keine Rolle, denn auf diese Frage gab das Bundeskartellamt auf 500 Seiten keine Antworten. Uns Grünen gehe es aber um die Menschen, um faire Löhne und menschenwürdige Arbeits- und Lebensbedingungen. Deshalb ging es bei dieser Veranstaltung um den politischen Handlungsbedarf, aber vor allem auch um die Frage, wie es mit der Verantwortung der vier großen Konzerne aussieht, denn immerhin diktiert diese Marktmacht Arbeitsbedingungen. Die Marktmacht wird von den Supermärkten gezielt genutzt, um Preise zu drücken und Abhängigkeiten zu verstärken. Leidtragende sind die Angestellten in Deutschland, aber auch die Arbeiter*innen in Entwicklungsländern.

Nicht selten menschenunwürdig

In ihrer Eingangsrede verdeutlichte Stefanie Nutzenberger (Bundesvorstandsmitglied von ver.di und Leiterin des Fachbereichs Handel) die Situation im deutschen Einzelhandel. Sie führte aus, dass die vier führenden Supermarktketten Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarzgruppe (Lidl und Kaufland) 85 Prozent des Marktes unter sich aufteilen. Ihnen stünden rund 6.000 Lebensmittelhersteller gegenüber. Die Supermarktketten nutzten ihre Nachfragemacht gezielt dazu, Preise zu drücken und den Produzenten Geschäftsbedingungen zu diktieren. Dies geschehe zu Lasten der Angestellten in Deutschland, aber auch auf Kosten der Beschäftigten in den Herstellungsländern. Denn in den vergangenen Jahrzehnten sei der Einkauf von Waren aus dem Ausland stark gestiegen. Zudem gelte der Markt als gesättigt. Um steigende Gewinne zu garantieren, müssten somit Kosten gespart werden. Dies führe zu einem „Sparen nach innen“. Der Preisdruck würde so bis ans Ende der Lieferkette weitergegeben.

Über die Auswirkungen der Marktkonzentration im deutschen Einzelhandel auf die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern diskutierten im ersten Panel Franziska Humbert, die Kampagnenleiterin der Oxfam Supermarkt-Kampagne und Ulrich Dalibor von ver.di. Beide Referenten zeichneten ein umfassendes Bild über die Zusammenhänge von deutschem Einzelhandel und internationaler Lieferkette. Soziale, ökologische Standards würden häufig nicht eingehalten. Nicht selten käme es zu menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Zudem mangele es an Gewerkschaftsfreiheit und existenzsichernden Löhnen
Im zweiten Panel standen die Arbeitsbedingungen in deutschen Supermärkten im Fokus der Debatte. Vor dem Hintergrund der Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse im deutschen Einzelhandel prallten die Meinungen von Heribert Jöris vom Handelsverband Deutschland und die gewerkschaftliche Sichtweise von Ulrich Dalibor aufeinander. Während Jöris auf die Verantwortung der Politik verwies, Rahmenbedingungen für funktionierende Märkte zu schaffen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen festzulegen, bekräftigte Ulrich Dalibor, dass die Verantwortung bei den Supermarktketten liege. Die Gewerkschaften hätten in den vergangenen Jahren schlicht die Geduld verloren. Die Supermarktketten hielten sich bei den Löhnen immer weniger an die Tarifbindung und umgingen den Mindestlohn mit Werkverträgen und Teilzeitregelungen. Dass sich die Supermarktketten nun auch noch für eine Ausdehnung der Öffnungszeiten einsetzten sei ein Schritt in die falsche Richtung.

Bundesregierung hat „keine gesicherten Erkenntnisse“

Uwe Kekeritz machte in seinem Abschlussstatement deutlich, dass das freiwillige Engagement der Supermärkte nicht ausreicht. Wie andere Unternehmen auch müssten sie gesetzlich zur Einhaltung sozialer, ökologischer und menschenrechtlicher Standards entlang der globalen Lieferkette verpflichtet werden. Die Bundesregierung setzt im Bereich der Unternehmensverantwortung jedoch weiterhin auf Freiwilligkeit. Kekeritz bedauerte, dass sie nicht die notwendigen Schlussfolgerungen aus der Sektoranalyse des deutschen Einzelhandels zieht und die Situation fälschlicherweise als normalen Wettbewerb einstuft. Zudem trete die Bundesregierung auch auf EU-Ebene viel zu häufig als Bremserin auf, wenn es darum geht Maßnahmen für eine bessere Kontrolle der Lieferketten zu beschließen.

Die grüne Bundestagsfraktion beschäftigt sich seit langem mit der Marktkonzentration im deutschen Einzelhandel und sieht im Gegensatz zur Bundesregierung akuten Handlungsbedarf. Hierzu haben wir in dieser Legislaturperiode unter anderem Anträge zur Stärkung der Betriebsräte und für einen wirksamen sozial-ökologischen Rahmen für Aktivitäten transnationaler Unternehmen eingebracht. In der vergangenen Legislaturperiode hatten wir die Bundesregierung bereits im Rahmen einer Kleinen Anfrage zum Einfluss deutscher Supermarktketten auf globale Zulieferungsketten befragt. Auf die Frage wie die Bundesregierung den Einfluss der Supermarktketten Edeka, Rewe, Aldi, Schwarzgruppe (Lidl und Kaufland) und Metro auf die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards in Entwicklungs- und Schwellenländern einschätzt, antwortete die Regierung damals: „Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor, welchen Einfluss die genannten Supermarktketten auf die Arbeitsbedingungen und Umweltstandards in Entwicklungs- und Schwellenländern haben.“ Es gilt also das Motto – Augen zu und durch.