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10.02.2012

Griechenland – die Schmerzgrenze beim Spardiktat ist überschritten

Griechenland wird von einem einseitigen Spardiktat erdrückt. Dabei droht die Situation aus dem Ruder zu laufen. Griechenland befindet sich in einem Teufelskreislauf: Auf jede Sparrunde folgt ein Einbruch der wirtschaftlichen Leistung. Dieser Teufelskreislauf muss durchbrochen und die Belange der Beschäftigten besser geschützt werden.

Das Sprecherteam von GewerkschaftsGrün, Beate Müller-Gemmeke MdB, Wolfgang Stather und Hartmut Wauer, erklären zur Situation in Griechenland:

Die europäische Solidarität läuft Gefahr zur Worthülse zu werden. Die Situation in Griechenland droht aus dem Ruder zu laufen – nicht nur in ökonomischer, sondern vor allem auch in sozialer Hinsicht. Mit den Forderungen an die griechischen Arbeitnehmenden, trotz eines bestehenden Tarifvertrages Lohnverzichte hinzunehmen, ist die Belastungsgrenze der Arbeitnehmenden überschritten. Welche Sicherheit und welche Perspektiven bleiben den Werktätigen noch, wenn Tarifverträge so grundsätzlich in Frage gestellt werden? Von einer Sozialpartnerschaft kann dann nicht mehr die Rede sein. Die Europäische Union muss zeigen, dass sie Rechtstaatlichkeit und das Europäische Sozialmodell ernst nimmt – auch in der Krise. Grundsätzlich gilt: die häufig zu hörende Interpretation „Griechenland spart nicht genug“ ist falsch analysiert und trifft die Falschen. Diese Analyse übersieht, dass die Ausgabenschraube alleine das Problem nicht lösen kann. Letzte Woche hat das griechische Finanzministerium 4.000 Steuersünder benannt, die dem Staat insgesamt knapp 15 Milliarden Euro schulden – sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Diese gewaltige Summe geht auf Seite der Einnahmen verloren. Es ist nicht möglich und wäre auch falsch, die Steuersünden durch weitere sozial unverträgliche Kürzungen einsparen zu wollen. Es sind die Beschäftigten, die Nachfrage in die heimische Wirtschaft generieren und damit helfen, dass sich die Wirtschaft im eigenen Land und damit die Steuereinnahmen erholen können. Entscheidend ist, dass endlich den Steuersündern die Schlupflöcher geschlossen werden, denn es ist völlig offensichtlich, dass es nicht nur ums Sparen geht, sondern ganz direkt um Verteilungsfragen.

Deswegen ist auch die Folgerung falsch, die Schraube der Kürzungen und Einsparungen immer enger zu drehen. Damit wird Griechenland nicht nur weiter in die Rezession getrieben, auch eine ganze Generation wird ihrer Bildungs- und Verdienstmöglichkeiten beraubt. Die Jungen, Gebildeten und Mobilen reagieren zunehmend mit Auswanderung. Es droht ein brain drain mitten in Europa. Deswegen ist der Spar-Wahn auch ökonomisch irrsinnig – weil eine erdrückte Volkswirtschaft erst recht nicht aus dem Schuldenloch kommt. Es wäre unverzeihlich wenn die vielbeschworene europäische Solidarität bereits bei ihrer ersten echten Bewährungsprobe scheitert.