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02.05.2015

Grußwort beim Weibermarkt

Das Forum Reutlinger Frauengruppen hat sein 30-jähriges Jubiläum mit dem 13. Weibermarkt gefeiert. Es war eine tolle stimmungsvolle Kulisse mit vielen aktiven, „handelnden“ Frauen. Grußworte gab es von der Ersten Bürgermeisterin Ulrike Hotz (Kommune), Sozialministerin Katrin Altpeter (Land) und mir aus der Bundespolitik. Das zeigt Wertschätzung für die engagierte Arbeit.

Rund 500 Gäste, überwiegend Frauen haben im Laufe des Tages den bunten Weibermarkt besucht – und alle waren beeindruckt von dem wie und mit was Frauen handeln. Gehandelt wurde mit Waren, aber auch mit Ideen und Projekten.

Grußwort

Liebe aktive Frauen des Forums Reutlinger Frauengruppen,
liebe Gäste,

ich bedanke mich für die Einladung und ich freue mich wirklich sehr, dass ich heute zum 30. Jubiläum ein Grußwort halten darf.

Seit 30 Jahren – seit 1985 – gibt es das Forum Reutlinger Frauengruppen. Es ist ein Netzwerk für politisch aktive Frauen. Ihr seid Ansprechpartnerinnen für alle – Alt und Jung – für einzelne Frauen und für Gruppen. Ihr unterstützt die Anliegen von Frauen und ihr seid die Klammer, die hier in Reutlingen alles zusammen hält, denn ihr wisst – nur gemeinsam sind wir stark.

Wenn es um Frauen geht, ist das Forum immer unterstützend mit dabei – und immer engagiert und kreativ. Und das wird auch mit dem heutigen Weibermarkt und mit dem tollen Programm wieder einmal deutlich. Über die Jahre hinweg habt ihr unglaublich viel angeregt und bewegt. Und für diese Arbeit möchte ich euch danken. Sie hat wahrlich Anerkennung und Wertschätzung verdient.

Der Blick zurück vor eure Zeit zeigt: Mutige, engagierte Frauen sind aufgestanden und haben für die Rechte der Frauen gekämpft. Immerhin dürfen Frauen erst seit knapp 100 Jahre wählen. Bis 1958 hatte der Ehemann das alleinige Bestimmungsrecht über Frau und Kinder. Ohne Zustimmung des Mannes durften Frauen kein eigenes Bankkonto eröffnen – noch bis 1962. Und erst seit 1977 – da war ich bereits 17 Jahre alt – dürfen Frauen auch ohne die Erlaubnis des Mannes arbeiten gehen – das ist noch keine 40 Jahre her.

Das war wichtig, denn Mitspracherecht bedeutet, auf Augenhöhe miteinander umgehen – in der Familie, am Arbeitsplatz, im politischen Leben, in der Gesellschaft. Nur wenn Frauen anerkannt sind, wenn sie gehört und ernst genommen werden, dann erfahren sie Wertschätzung.

Und genau in dieser Tradition steht eure Arbeit seit 30 Jahren. Juristisch gesehen, sind Frauen zwar gleichberechtigt, denn das ist im Grundgesetz verankert. Faktisch sind sie es aber immer noch nicht. Und diese fehlende Gleichstellung steht bei euch im Mittelpunkt – und genau das macht eure Arbeit so wichtig.

Frauen verdienen noch immer weniger als Männer. Und nur weil eine Frau in Teilzeit arbeitet, wird sie häufig nicht befördert. Frauen sind zwar mittlerweile in allen wichtigen Funktionen vertreten – aber es sind immer noch zu wenige. Gleichstellung ist individuell für jede Frau wichtig. Sie ist aber auch deshalb bedeutsam, weil Frauen sich dann in allen Lebensbereichen für Frauen einsetzen können. Wenn Frauen sich einmischen – wenn sie die Fäden selbst in der Hand haben, wenn sie entscheiden und gestalten können, erst dann verändern sich die Rahmenbedingungen. Und deshalb habt ihr – zu Recht – penetrant immer wieder eine Gleichstellungsbeauftragte für Reutlingen gefordert – leider bislang vergeblich. Aber auch das wird sich mit dem neuen Frauengleichstellungsgesetz im grün-roten Baden-Württemberg verändern. Reutlingen wird sich bewegen und euren Wunsch nach einer Gleichstellungsbeauftragen endlich erfüllen müssen.

Damit ist die Arbeit des Forums Reutlinger Frauengruppen aber nicht erledigt. Eure Unterstützung ist weiterhin wichtig. Beispielsweise für die Beschäftigten im Sozialbereich, die momentan auf die Straße gehen mit der Forderung: „Aufwertung jetzt!“ Sie engagieren sich für die Menschen und für die Gesellschaft. Deshalb haben sie Anerkennung, Wertschätzung und eine gerechte Entlohnung verdient. Dabei geht es um den Wert von Arbeit, aber auch um „gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“.

Gleiches gilt für die Hebammen. Ihr Berufsstand ist bedroht. Politische Trippelschritte sind hier zu wenig. Notwendig ist eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung mit Hebammen für eine selbstbestimmte Geburt mit freier Wahl des Geburtsortes. Und das ist eine gesellschaftliche Aufgabe – das Thema „Geburtshilfe“ geht uns alle an! Auch die Hebammen brauchen eure und unsere Unterstützung.

Es gibt also noch viele frauenpolitische Themen, die auf der Agenda stehen und eure Unterstützung benötigen bis die Gleichstellung von Frauen zur Selbstverständlichkeit wird. Frauen „verdienen“ endlich gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit und ebenso gleiche Chancen und gleiche Karrieremöglichkeiten. Frauen wollen Familie und Beruf vereinbaren, ohne Stress und Hektik. Dazu brauchen wir flexible, passende Arbeitszeiten, mehr Zeitsouveränität und passgenaue Kinderbetreuung. Frauen dürfen nicht weiter in Minijobs gedrängt werden. Und Altersarmt von Frauen muss konsequent bekämpft werden. Frauen wollen mitreden und sich einmischen und zwar auf Augenhöhe. Deshalb brauchen wir ein anderes Wahlsystem in Baden-Württemberg, damit sich die Frauen die Hälfte der Macht in den Parlamenten erobern können. Und es muss Schluss sein mit der Gewalt an Frauen – in Deutschland und überall auf der Welt.

Die Themen sind vielfältig und deshalb ist das Forum Reutlinger Frauengruppen weiterhin unverzichtbar. Ich hoffe auf viele engagierte Frauen und wünsche weiterhin viel Kraft und Erfolg – meine Unterstützung ist euch sicher.

 

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