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28.01.2017

Karlsruhe: Rechtsstaatlichkeit fühlt sich gut an

Zwei Tage lang verhandelte der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts diese Woche das umstrittene Gesetz zur Tarifeinheit. Ich war vor Ort und am Ende begeistert, wie wertschätzend und umsichtig die Richter des Bundesverfassungsgerichtes diese Verhandlung geführt haben.

Befassen mussten sich die Richter mit fünf Beschwerden von kleinen Gewerkschaften wie der Pilotenvereinigung Cockpit und dem Marburger Bund, aber auch von großen wie der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Diese Gewerkschaften bemängeln, dass das Gesetz ihre Koalitionsfreiheit und ihr Streikrecht einschränkt. Zwei ganze Tage nahm sich das Bundesverfassungsgericht Zeit, um sich mit den Beschwerden gegen das Gesetz über die Tarifeinheit auseinanderzusetzen. Die Verfassungsrichter hatten viele Fragen. Insgesamt herrschte eine sehr angenehme Atmosphäre vor Gericht. Die Verhandlung mutete wie eine Diskussion von Argumenten und Gegenargumenten an. Und alle, die vor Ort waren, konnten spüren: Diesen obersten Verfassungsrichtern geht es tatsächlich darum, Einwände zu verstehen und allen Fragen auf den Grund zu gehen. Ich muss sagen: Rechtstaatlichkeit „fühlt“ sich gut an.

Im Kern soll das Gesetz so funktionieren: Überschneiden sich in einem Betrieb verschiedene Tarifverträge, gilt nur noch der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern. Letztlich wollte der Gesetzgeber so kleinere Gewerkschaften wie die der Lokführer, Piloten oder Klinikärzte vom Streiken abhalten. Die Auswirkungen des Gesetzes sind aber bisher in der Praxis noch nicht angekommen. Es scheint so, als ob die Seite der Arbeitgeber still halten bis die Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht abschließend verhandelt wurden.

Das Bundesverfassungsgericht wird nach den beiden Verhandlungstagen nun abwägen. Für mich ist nach dieser öffentlichen Anhörung alles noch offen. Die zum Teil sehr kritischen Fragen der Richter lassen aber vermuten, dass die Verfassungsrichter die gesetzliche Tarifeinheit nicht einfach als verfassungsgemäß beurteilen. Die Richter können gesetzliche Korrekturen fordern, Hürden bei der Umsetzung einziehen und das Gesetz so am Ende entschärfen. Ich aber hoffe noch immer, dass das Gesetz als nicht verfassungsgemäß beurteilt wird. Eine Entscheidung wird nicht vor dem Frühjahr erwartet. Es bleibt spannend.