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22.06.2011

Kleine Anfrage: Bildungsurlaub

Das ILO-Übereinkommen zum Bildungsurlaub wurde in Baden-Württemberg bislang nicht umgesetzt. Grün-rot will nun diese Lücke schließen. Sofort wehrt sich die Wirtschaft dagegen, aber dieser Reflex ist in doppelter Hinsicht nicht akzeptabel. Erstens wurde das ILO-Abkommen ratifiziert und muss demgemäß umgesetzt werden. Zweitens kann die Wirtschaft nicht über den Fachkräftemangel jammern und gleichzeitig einen Bildungsurlaub ablehnen.

Als Sprecherin für Arbeitnehmerrechte bin ich auch mit den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) befasst. Erst vor kurzem war ich mit einer Delegation des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales bei der 100. ILO-Konferenz in Genf. Deutschland gilt im Rahmen der ILO als vorbildliches Mitgliedsland, das die Beschlüsse der ILO nahezu immer ratifiziert und auch umsetzt. Es gibt aber auch Ausnahmen und Abweichungen, so beispielsweise bei der ILO-Richtlinie 140 über den bezahlten Bildungsurlaub. Das Übereinkommen trat am 23.09.1976 in Kraft und wurde am 30.11.1976 von der Bundesrepublik ratifiziert.

Fakt ist aber: In Baden-Württemberg gibt es bislang keine gesetzlichen Regelungen zum Bildungsurlaub. Dies ist bundesweit die Ausnahme und sonst nur noch in Bayern, Sachsen und Thüringen der Fall. Ich habe dies zum Anlass genommen um eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu stellen. Die Antwort zeigt deutlich: in jenen Bundesländern, die gesetzliche Regelungen dazu haben, wurde in erheblichem Umfang und mit großem Nutzen der gesetzlich zugesicherte Bildungsurlaub in Anspruch genommen – und zwar von Männern wie Frauen, im öffentlichen Dienst wie auch in der Privatwirtschaft. Für die Bundesländer, in denen es keinen Anspruch auf Bildungsurlaub gibt, fühlte sich aber weder die Bundes- noch die Landesebene zuständig. Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort darauf, eine innerstaatliche Gesetzgebung in allen Bundesländern sei nicht notwendig. Und die Mehrzahl der Länder habe ja die ILO-Konvention in Gesetzestext gegossen. Das Land Baden-Württemberg erklärte dagegen, es habe „dieses Übereinkommen nicht ratifiziert und sieht deshalb auch keinen formalen Handlungsbedarf“.

Mein Fazit: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat die Umsetzung internationaler Vorgaben im Bereich der Arbeitnehmerrechte verschleppt. Die Ankündigung der grün geführten neuen Landesregierung, endlich einen gesetzlichen Bildungsurlaub einzuführen, ist daher kein Eingriff in die Autonomie der Wirtschaft, wie die Arbeitgeberseite erklären liess. Es ist längst überfällig, dass das Land Baden-Württemberg hier seine Hausaufgaben macht. Die Arbeitgeberseite sollte diesen Schritt nicht kritisieren, sondern mitgestalten. Wer sich über den Fachkräftemangel in Deutschland beklagt, der darf sich bei sinnvollen Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung von Arbeitnehmenden nicht sperren.

 

Kleine Anfrage