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28.04.2012

Kleine Anfrage: Bundesregierung ignoriert Geschlechtsunterschiede bei der Arbeitsbelastung

Gesundheitliche Belastungen, denen Frauen bei der Arbeit ausgesetzt sind, werden oftmals unterschätzt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Doch das ficht die deutsche Bundesregierung nicht weiter an. Sie scheint die Geschlechterunterschiede bei der Arbeitsbelastung vollständig zu ignorieren. Das legen zumindest ihre Antworten auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Geschlechterperspektive für die betriebliche Gesundheitsförderung“ nahe, die ich zusammen mit meiner Kollegin Maria Klein-Schmeink gestellt habe.

Immerhin wurde schon im Koalitionsvertrag vollmundig eine Präventionsstrategie angekündigt, in der ein besonderer Schwerpunkt auf die betriebliche Gesundheitsförderung gelegt werden soll. Doch auf diese Strategie lässt die Bundesregierung nun seit gut zwei Jahren warten. Dabei ist längst erwiesen: Die betriebliche Gesundheitsförderung erreicht Frauen weitaus seltener als Männer. Und: Frauen reagieren anders als Männer auf unterschiedliche Arbeitsbelastungen.

Das ist auch der Bundesregierung bekannt: Sie greift in ihrer Antwort allerdings nur auf Daten aus der Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) von 2005/2006 zurück. Aktuellere Erkenntnisse liegen ihr nicht vor. Nach diesen Daten leiden Frauen häufiger unter ständig wiederkehrenden Arbeitsvorgängen, unter Termin- und Leistungsdruck sowie Unterbrechungen und Störungen ihres Arbeitsablaufes. Frauen erklären auch weitaus häufiger als Männer, dass sie ihre Arbeitsbedingungen als belastend empfinden. Und sie weisen bei fast allen gesundheitlichen Beschwerden höhere Werte auf als ihre männlichen Kollegen.

Die Bundesregierung sieht sich angesichts solcher Daten dazu veranlasst, darauf hinzuweisen, dass „Frauen in vielen Bereichen ein deutlich weniger risikoorientiertes Verhalten“ aufwiesen, sich gesünder ernährten und „sensibler auf gesundheitliche Beschwerden“ reagierten. Außerdem könne die Doppelbelastung durch Familie und Beruf diesem Unterschied in den Arbeitsbelastungen von Männern und Frauen zugrunde liegen. Sie kommt daher zu dem Schluss: „Bislang liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor, die auf eine generelle Geschlechterungerechtigkeit im Arbeitsschutz oder in der betrieblichen Gesundheitsförderung hindeuten.“

Gleichwohl wolle man das Thema der Geschlechterperspektive im Arbeitsschutz ab 2013 im Rahmen der Arbeitsziele der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) „angemessen“ berücksichtigen. Die Forderung der Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz (GFMK) einen thematischen Initiativkreis zu Thema „Geschlechtergerechter Arbeitsschutz“ einzurichten, wird abgelehnt. „Da es zurzeit noch keine hinreichend evidenzbasierten Gestaltungsmöglichkeiten für die Berücksichtigung des Geschlechts und der unterschiedlichen Rollenverständnisse in der Arbeitswelt gibt, wäre die Einrichtung eines thematischen Initiativkreises verfrüht“, führt die Bundesregierung aus.

Weiteren Forschungsbedarf sieht sie – trotz veralteter Datenlage und obwohl ihr die evidenzbasierten Gestaltungsmöglichkeiten fehlen – auch nicht. Immerhin existierten doch Studien der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und jährlich werde der Bericht „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ veröffentlicht. Das muss anscheinend reichen, um die Differenzen in den Arbeitsbelastungen der Geschlechter zu erforschen. Politische Verantwortung sieht aber anders aus!

 

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