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04.05.2012

Kleine Anfrage: Gesetz schwächt die Beschäftigten in der Pflege

Arbeitgeber sollen als Voraussetzung für einen Versorgungsvertrag nicht mehr wie bisher die ortsüblichen Gehälter zahlen müssen. Das sieht zumindest der neue § 72 im Entwurf des Pflege-Neuausrichtungsgesetzes vor. Und dieses Vorhaben bestätigt die Regierung auch in ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage. Faire Arbeitsbedingungen sind aber notwendig, um den Fachkräftemangel in der Pflege zu stoppen.

Seit 2008 gilt nämlich, dass Pflegeeinrichtungen nur dann einen Versorgungsvertrag erhalten, wenn sie ihren Beschäftigten mindestens die ortsübliche Vergütung bezahlen. Diese Koppelung soll nun aufgehoben werden. Künftig, so auch die Antwort der Bundesregierung, soll ein Versorgungsvertrag mit einer Pflegeeinrichtung auch dann abgeschlossen werden können, wenn die Einrichtung ihren Pflegekräften nur den Mindestlohn zahlt. Dieser aber liegt weit unter tariflichen Regelungen vor Ort. In Westdeutschland erhalten examinierte Altenpflegekräfte tariflich zwischen 12,31 Euro und 16,73 Euro pro Stunde. Der Mindestlohn beträgt hingegen nur 8,75 Euro. Damit wird die Bundesregierung mit ihrem sogenannten Pflege-Neuausrichtungsgesetz also das Lohngefüge in der Pflegebranche zwangsläufig absenken.

Entgegen meiner Auffassung sieht die Regierung keinen Anlass für Befürchtungen, dass ihr Gesetz eine Absenkung des Lohnniveaus in der Pflege zur Folge haben könnte. Und sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass durch andere Neuregelungen bei Pflegesatzverhandlungen immerhin die Zahlung von Tariflöhnen berücksichtigt werden könne. Doch das geht völlig am Kern des Problems vorbei. Denn bei den problematischen Neuregelungen in § 72 geht es nicht um die Pflegesatzverhandlungen, sondern um die Zulassung als Pflegeeinrichtung.

Der neue § 72 geht zu Lasten der Beschäftigten. Vor allem ist es aber auch ein völlig falsches Signal in Zeiten eines Fachkräftemangels in der Pflege, wenn die Zulassungsregelung festlegen, dass Beschäftigte nur noch die unterste Auffanglinie, nämlich den Mindestlohn, erhalten müssen. Mit einer solchen gesetzlichen Regelung kann eine gefährliche Lohnspirale nach unten in Gang gesetzt werden. Die Regelung verschafft Einrichtungen, die ihre Beschäftigten schlechter bezahlen als andere, einen Wettbewerbsvorteil. Sie können Leistungen billiger anbieten und damit teurere Einrichtungen verdrängen. Ein Mindestlohn soll die Beschäftigten schützen und nicht zum Wettlauf um die niedrigsten Löhne führen.

Auch in der Altenpflege gilt: Anerkennung und Wertschätzung haben eine starke finanzielle Dimension. Ohne eine Steigerung der Vergütung lässt sich auch das gesellschaftliche Berufsprestige in der Altenpflege nicht steigern. Das attestiert auch der Abschlussbericht zur Studie „Wirkungen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes“. Die Studie war vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegeben worden. Umso unverständlicher sind die kontraproduktiven Regelungen im vorliegenden Gesetzentwurf.

 

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