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09.03.2011

Kleine Anfrage: Lohndumping ist kein Kavaliersdelikt

Der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) wurde die Tariffähigkeit abgesprochen. Jetzt muss die Rentenversicherung Sozialversicherungsbeiträge nacherheben. Ich habe zum Stand der Umsetzung nachgefragt und wie immer ernüchternde Antworten erhalten.

In der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage hat die Bundesregierung erneut ausgeführt, dass die Leiharbeit die positive wirtschaftliche Entwicklung schnell in neue Beschäftigungschancen umsetzt. Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit (BA), sagte hingegen der Zeitung „Die Welt“, dass der Leiharbeit nicht die Funktion als Jobmotor zukommt. Weiter führte er der Zeitung aus, dass Deutschland ein Problem hätte, wenn die Leiharbeit über die Millionengrenze steigt. Dies hätte nämlich Rückwirkung auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, weil Leiharbeit kein konstantes Beschäftigungsverhältnis darstelle und die Beitragszahlungen in die Sozialversicherungen oft unterbrochen würden. Man müsse sich fragen, ob eine solche Entwicklung im Sinne der sozialen Marktwirtschaft sei, so der BA-Chef. Dies aber ignoriert die Bundesregierung.

In der Antwort der Bundesregierung war ebenfalls zu lesen, dass sie die Leiharbeit weiterhin als ein wirksames Instrument der Arbeitsmarktpolitik ansieht. Auf die Frage, wie viele Langzeitarbeitslose aus dem SGB II in Leiharbeit vermittelt wurden, musste sie aber eingestehen, dass für die Antwort die entscheidenden Daten nicht erhoben werden. Bekannt wäre aber, dass 67,2% der Leiharbeitskräfte im ersten Halbjahr 2010 zuvor arbeitslos gewesen wären und nur rund 11 Prozentpunkte hiervon länger als ein Jahr. Das zeigt deutlich, die Leiharbeit ist kein arbeitsmarktpolitisches Instrument, denn nur diejenigen Erwerbslosen werden vor allem in Leiharbeit vermittelt, die bei guter Konjunktur auch reguläre Beschäftigung erhalten würden. Im Mittelpunkt der Kleinen Anfrage aber standen Nachfragen zu den Konsequenzen auf das Lohndumping der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP). Diese Gewerkschaften hatten über Jahre hinweg mittels niedriger Tarifverträge das Lohnniveau in der Leiharbeitsbranche gedrückt. Dieser Praxis hat das Bundesarbeitsgericht einen Riegel vorgeschoben, indem es am 14. Dezember 2010 die CGZP als nicht tariffähig erklärt hat. Folge des Urteils ist, dass diese Tarifverträge unwirksam geworden sind und die Sozialversicherungen von Verleihunternehmen Sozialversicherungsabgaben nachfordern können. Aus diesem Grund haben die deutschen Rentenversicherungsträger Beitragsbescheide an 1.500 Verleihunternehmen verschickt. Die Leiharbeitsunternehmen, die unwirksame CGZP-Tarifverträge angewendet haben, wurden aufgefordert, auf Grundlage des „Equal pay-Anspruchs“ für ihre Beschäftigten mit einer Frist bis zum 31. Mai 2011 Beiträge nachzuzahlen. Dies betrifft ca. 4.000.000 Entleihvorgänge zwischen 2005 und 2009.

Die Antwort der Bundesregierung zeigt aber, dass die Rentenversicherungsträger und die Bundesregierung bislang im Dunkeln tappen. Sie wissen weder in welcher Höhe Sozialversicherungsbeiträge von den Verleihfirmen bis zum 31. Mai 2011 nachgezahlt wurden, noch wie viele Unternehmen tatsächlich Beiträge zurückzahlen müssen oder bereits nachgezahlt haben. Unklar bleibt auch, ob kleinere Verleih- und Entleihfirmen aufgrund der Nachzahlungen Insolvenz anmelden mussten. Klar ausgeführt wurde aber, dass Verleih- und Entleihfirmen, die durch eine erhebliche Beitragsnacherhebung in Schwierigkeiten geraten, Beiträge erlassen bekommen können. Dies hätte zur Folge, dass Unternehmen, die jahrelang von Billiglöhnen profitiert haben, weitgehend ungeschoren davon kommen. Damit zeigt das CGZP-Urteil keinerlei abschreckende Wirkung. Dieses Vorgehen ist auch nicht fair gegenüber den Leiharbeitsfirmen, die jahrelang ordentliche Löhne bezahlt haben. Vor allem aber ist es nicht fair gegenüber den ehemaligen Leiharbeitskräften, denn sie müssen trotz BAG-Urteil auf Sozialversicherungsbeiträge und bei Arbeitslosigkeit auf Nachzahlungen von Arbeitslosengeld I verzichten.

Insgesamt kann unser Fazit nur sein: Die Bundesregierung, welche die Rechtsaufsicht über die Deutsche Rentenversicherung hat, verfolgt nur zögerlich die notwendigen Beitragsnacherhebungen – zu Lasten der betroffenen Leiharbeitskräfte. Fraglich ist auch, ob die Zahl der Prüfenden überhaupt eine gewissenhafte Prüfung ermöglichen, denn bislang prüfen 3.600 Prüfer jährlich ca. 800.000 Unternehmen. Das bedeutet, dass jeder Prüfer pro Jahr 222 Unternehmen zu prüfen hat und die Kapazitäten für zusätzliche Prüfaufgaben im Rahmen der Umsetzung des CGZP-Urteils fehlen.

Wir kritisieren also das Desinteresse der Bundesregierung bei der Nacherhebung der Sozialversicherungsbeiträge. Lohndumping darf nicht wie ein Kavaliersdelikt behandelt werden, denn schließlich geht es hier um die Rentenansprüche der Leiharbeitskräfte.


Kleine Anfrage