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24.06.2013

Kleine Anfrage: Schlachtbranche ohne Anstand

Die Schlachtbranche ist in den vergangenen Jahren mehrfach wegen schlechter Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in die Schlagzeilen geraten. Zudem gab es Klagen aus Frankreich, Belgien und Dänemark, dass die deutsche Fleischbranche Lohndumping betreibe und sich auf Kosten anderer Länder Marktanteile sichere. Zudem werden Vorwürfe laut, dass die Schlachtbranche gezielt auf Leiharbeitskräfte und Werkvertragsbeschäftige umstellt, um von der Befreiung der EEG-Umlage zu profitieren.

Mit einer Kleinen Anfrage haben wir bei der Bundesregierung nachgefragt, welche statistischen Daten zur Schlachtbranche vorliegen und ob sie Handlungsbedarf sieht. Die Zahl der Beschäftigten hat sich von 2010 bis 2012 kaum verändert, während die Umsätze der Unternehmen in der Fleischverarbeitung im gleichen Zeitraum von 35 auf 40 Mrd. Euro gestiegen sind. Die Umsatzsteigerung bei nahezu gleicher Beschäftigtenzahl irritiert und legt die Vermutung nahe, dass vermehrt billigere Arbeitskräfte in der Schlachtbranche eingesetzt werden. Die Bundesregierung aber stellt sich blind und verweist darauf, dass ihr keinerlei Daten über die Entwicklung von Werkverträgen vorliegen.

Die Bundesregierung ignoriert zudem ein weiteres Indiz. Denn Fakt ist, dass die Zahl der lebend importierten Schlachttiere – mit Ausnahme der Rinder – zwischen 2005 und 2012 erheblich zugenommen hat. Damit wird deutlich, dass die Schlachtbranche in Deutschland über einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Ländern verfügt. Auch dieses Indiz unterstreicht den Verdacht, dass niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen im Bereich von Werkverträgen existieren.

Trotz dieser Fakten beantwortet die Bundesregierung die Frage, wie sie die Auswirkungen der Geschäftspraktiken der deutschen Schlachtindustrie auf das europäische Ausland beurteilt, lapidar mit den Worten: „Der bestehende Wettbewerb in allen Bereichen der europäischen Fleischerzeugung und –vermarktung gewährleistet einen fairen Ausgleich der Interessen von Erzeugern, Vermarktern und Verbrauchern auf dem EU-Binnenmarkt.“

Über die Beschäftigten in Werkverträgen und deren Arbeits- und Entlohnungsbedingungen hingegen verliert sie kein Wort und verweist ausschließlich auf gesetzliche Grundlagen und Kontrollen. Dabei ignoriert sie die eigenen Ausführungen. Denn bei der Antwort zu nachgeforderten Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von rund 2,1 Mio. Euro verweist sie explizit darauf, dass es sich dabei um Vorgänge mit Schwarzarbeitsbezug – also Scheinselbstständigkeit, illegale Arbeitnehmerüberlassung oder Scheinentsendung – handelt. Gleichzeitig ist durch verschiedene Presseberichterstattungen bekannt, dass die Arbeitsbedingungen in der Schlachtbranche nur als verheerend und teilweise als menschenunwürdig bezeichnet werden können. Die ARD hat mittlerweile sogar aufgedeckt, dass die Bandidos diesen Handel mit Billiglöhnern organisieren. Vor diesem Hintergrund sind die nichtssagenden und vertuschenden Antworten der Bundesregierung nicht akzeptabel.

Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung die Fakten ignoriert und die Vorwürfe aus dem europäischen Ausland, die deutsche Schlachtbranche betreibe Lohndumping, ignorant zurückweist. Und es ist auch ein Skandal, dass die Fleischbranche ihre Hände in Unschuld wäscht, obwohl zigtausende osteuropäischer Arbeitskräfte unter menschenunwürdigen Bedingungen und zu Dumpinglöhnen arbeiten müssen. Die Bundesregierung muss endlich tätig werden. Notwendig sind ein gesetzlicher Mindestlohn und Maßnahmen, die den Missbrauch von Werkverträgen verhindern.

Nachgefragt haben wir auch, wie viele Betriebe in der Schlachtbranche von der EEG-Umlage befreit sind. Der Hintergrund der Frage liegt darin, dass die Personalkosten bei der Befreiung der EEG-Umlage keine Rolle spielen, die Sachkosten hingegen schon und dies insbesondere, weil Beschäftigung per Werkvertrag und Leiharbeit nicht als Personal- sondern als Sachkosten abgerechnet werden. Es stellt sich also die Frage, ob Betriebe in der Schlachtbranche gezielt auch auf Werkverträge und Leiharbeit setzen, um zusätzlich von der EEG-Umlage profitieren zu können.

Die Antworten der Bundesregierung sind eindeutig. Mittlerweile sind 54 Betriebe von der EEG-Umlage befreit. Entscheidend ist aber, dass die Summe durch die eingesparte EEG-Umlage in den letzten Jahren von rund 700.000 Euro auf satte 27 Mio. Euro angestiegen ist. Durch den Einsatz von Werkvertragsbeschäftigte und Leiharbeitskräfte können nicht nur die Lohnkosten gesenkt sondern zusätzlich enorme Energiekosten eingespart werden. Das Geschäftsmodell lohnt sich.

Auf die Frage, ob die Bundesregierung Handlungsbedarf sieht, kommt die Antwort: „Allein aufgrund der Regelung kann die Bundesregierung derzeit nicht valide einschätzen, ob Unternehmen tatsächlich verstärkt Zeitarbeitnehmer einsetzen, um die Voraussetzungen der Besonderen Ausgleichsregelung zu erfüllen. Dieser Frage soll im Rahmen der Erstellung des EEG-Erfahrungsberichts nachgegangen werden.“ Die Zahlen aber sprechen eine klare Sprache – das ignoriert die Bundesregierung. Auch hier muss die Regierung zügig tätig werden, denn es geht um die Beschäftigten, die unter solchen Fehlanreizen leiden.

 

Kleine Anfrage

Pressebericht: Stuttgarter Zeitung