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07.02.2012

Kleine Anfrage: Unsoziale Geschäftsmodelle und schlechte Arbeitsbedingungen

Die Logistikbranche und insbesondere Hermes machen in der Öffentlichkeit immer wieder durch schlechte Arbeitsbedingungen von sich reden. Ich habe mit einer Kleinen Anfrage die Bundesregierung dazu befragt. Die Antworten sind einerseits wie so häufig nichtssagend, andererseits enthalten sie alarmierende Zahlen zur Logistikbranche.

Lesen bildet. Und so manche Zeitungsleserin und mancher Leser ist daher sogar schlauer als die Bundesregierung. Das legen zumindest die Antworten der Regierung auf eine Kleine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke nahe, in deren Zentrum der Paketdienstleister Hermes Logistik Gruppe steht. Sämtliche Fragen zu diesem Komplex, egal, ob es um Razzien der Finanzkontrolle Schwarzarbeit geht oder Hinweise auf Scheinselbstständigkeit bei Subunternehmern der Gruppe, beantwortet die Bundesregierung nicht. Stets heißt es, hierzu lägen keine Erkenntnisse vor. Dabei sorgte die Firma Hermes bereits diverse Male für Schlagzeilen, die in jeder Tageszeitung nachzulesen waren.

Die Missstände in der Branche, insbesondere das für die Beschäftigten unsoziale Geschäftsmodell mit Subunternehmen, sind bekannt. Die Bundesregierung hätte ausreichend Möglichkeiten die Fakten und Hinweise zu recherchieren, sofern sie dies nur wollte. Denn natürlich liegen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit auf unterer Ebene mehr und umfassendere Erkenntnisse vor. Dies wissen wir durch gute Quellen.

Die Hermes Logistikgruppe und andere Anbieter arbeiten mit Satellitendepotbetreibern und Subunternehmen zusammen, die durch Paketpreise in letzter Konsequenz abhängig von den Auftraggebern sind. Das hat sowohl für den Staat, als auch für die Beschäftigten negative Auswikungen. Dennoch hält die Regierung eine stärkere Kontrolle dieser Geschäftsmodelle für unbotmäßig. In ihrer Antwort heißt es: „Im Hinblick auf die grundgesetzlich garantierte Berufsfreiheit, die auch die Wettbewerbsfreiheit umfasst, ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, Geschäftsmodelle einzelner Unternehmen zu beurteilen.“ Anscheinend auch dann nicht, wenn Sub-Unternehmen sukzessive mit dem Modell der Scheinselbstständigkeit operieren. Diese Haltung der Bundesregierung ist ein Freibrief für windige Geschäftsmodelle. Was zählt sind nur Jobs und zwar um jeden Preis. Aber gute Arbeitsmarktzahlen auf dem Rücken von prekär Beschäftigten – das ist nicht gerecht.

Das Phänomen der Scheinselbstständigkeit scheint auch in den Augen der Bundesregierung ausreichend kontrolliert. Und wenn denn doch einmal Zweifel bestehen, ob es sich bei einer Arbeit um eine selbstständige Tätigkeit oder eine abhängige Beschäftigung handelt, „können sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer den Antrag auf Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status stellen“, schreibt die Bundesregierung. Das ist zynisch. Soll ein Paketzusteller, der 60 Cent pro ausgeliefertem Paket verdient, sich nun also überprüfen lassen, um dann festzustellen, dass er gar nicht selbstständig ist, sondern scheinselbstständig?

Wir bleiben dabei, dass mehr Kontrollen erforderlich sind und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit entsprechend personell besser ausgestattet wird.

Schwarzarbeit in der Logistikbranche steigt rasant

Interessant werden die Auskünfte der Bundesregierung erst, wenn es um die Arbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in der Branche Spedition, Transport und Logistik geht. Denn hier sind aufgrund der Kontrollen der Zolleinheit im Jahr 2010 mehr als 4000 Strafverfahren und 2721 Bußgeldverfahren eingeleitet worden. Im Jahr 2009 waren es noch 1674 Bußgeldverfahren. Die Zahl der Schwarzarbeit scheint in der Branche rasant zu steigen. Denn die Verwarnungsgelder und Bußgeldbescheide beliefen sich im Jahr 2010 auf eine Summe von knapp 2,2 Millionen Euro. Das waren mehr als doppelt so viel wie noch im Vorjahr. Die 4153 Strafverfahren endeten 2010 mit Geldstrafen in Höhe von gut 2,25 Millionen Euro. Insgesamt mussten Unternehmen der Logistik- und Transportbranche also aufgrund von Schwarzarbeit-Delikten fast viereinhalb Millionen Euro Bußgelder und Geldstrafen an den Staat zahlen.

Wir werden nicht locker lassen und uns in Zukunft noch tiefer mit der Branche auseinandersetzen, denn dieser unsoziale Wettbewerb zu Lasten der Beschäftigten ist genauso wenig akzeptabel wie die ausweichende und ignorante Haltung der Regierung.

 

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