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30.05.2011

Kommentar: Eckpunkte der Bundesregierung zum Atomausstieg

Frau Merkel möchte einen gesellschaftlichen Konsens zum Atomausstieg herstellen – das kündigt sie seit Wochen an. Wir Grünen nehmen das ernst und haben ihr ein Gesprächsangebot gemacht. Jetzt hat die Bundesregierung ihre Eckpunkte zum Atomausstieg vorgelegt. Aber wenn man sich die Eckpunkte anschaut, stellt man fest: Sie korrigieren einen Fehler und begehen die nächsten. Es stellt sich also die Frage, ob wirklich ein gesellschaftlicher Konsens das Ziel ist. Dann müsste die Regierung die Gedanken und Sorgen der Bürgerinnen und Bürgern, von einer Vielzahl von Umwelt- und Anti-AKW-Gruppen, Wissenschaftlern und auch der Opposition, die anders denken, die andere Schritte vorschlagen, auch aufnehmen. Denn unsere erste Bewertung der Eckpunkte fällt nicht positiv aus.

Schwarz-Gelb nennt Ende 2022 als Ausstiegsziel, also länger als von der Ethikkommission vorgeschlagen. Die Übertragung sämtlicher Reststrommengen führt zu einer nicht bekannten Abschaltreihenfolge. Verschiedene Modellrechnungen zeigen aber übereinstimmend, dass in der nächsten Wahlperiode – also vor 2018 – kein einziges weiteres AKW vom Netz geht. Gegenüber dem rot-grünen Atomkompromiss von 2001 liefen die neueren AKWs daher 1 und 6 Jahren länger. Grüne Position ist, dass wir bis 2017 komplett aussteigen können.

Wir fordern die unverzügliche Abschaltung der sieben ältesten AKW und des Pannenreaktors Krümmel. Schwarz-Gelb aber will eins der sieben ältesten AKW auf „Standby“ halten – angeblich um kurzfristige Stromlücken zu schließen. Das ist Unsinn: Entweder die Anlage läuft oder sie steht für einen Blackout kurzfristig nicht zu Verfügung. Außerdem ist ein AKW im Standby-Betrieb genau so gefährlich wie ein laufendes. Hier öffnet sich die Bundesregierung eine Hintertür, um die ältesten AKWs nicht endgültig und vollständig vom Netz zu nehmen. Auch Philippsburg I steht zur Disposition – das ist nicht akzeptabel. Auch AKW-Sicherheit spielt bei der Regierungsbegründung für die Abschaltungen keine Rolle. Die Senkung der Standards bei der Laufzeitverlängerung im Herbst 2010 wird nicht zurückgenommen. Der Stand von Wissenschaft und Technik wird nicht verwirklicht.

Beim Ausbau der erneuerbaren Energien steht Schwarz-Gelb auf der Bremse: Die Regierung verharrt beim Ausbauziel von 35 Prozent Erneuerbaren bis 2020. Dabei stammt dieses Ziel noch aus der Zeit der Laufzeitverlängerung! Die gebremsten Ausbaupläne schaden besonders dem Windkraftstandort in Süddeutschland. Die Regelung steht der Ankündigung eines beschleunigten Einstiegs ins erneuerbare Zeitalter diametral entgegen.

Um eine angebliche Stromlücke von 10 Gigawatt zu schließen, will die Regierung den Neubau von klimaschädlichen Kohlekraftwerken beschleunigen – und dass in einer Zeit, wo der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen einen neuen Rekordwert erreicht.

Schwarz-Gelb setzt nach wie vor auf Gorleben als Endlager und lehnt die notwendige ergebnisoffene Standortsuche in ganz Deutschland ab. Damit bleiben sie in der Sackgasse des Umgangs mit dem Atommüll. Wer heute behauptet, er würde in Gorleben ergebnisoffen erkunden, der verschweigt, dass in Gorleben zurzeit nicht erkundet, sondern ausgebaut wird. Das ist nicht ergebnisoffen, trotz all der Beteuerungen, man könne gegebenenfalls auch mal über Alternativen nachdenken.

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es zu diesem Paket mehr Fragen als Antworten. Wir erwarten, dass diese Eckpunkte tatsächlich Grundlage von Verhandlungen werden. Es wird sich zeigen, ob Frau Merkel nur mit uns redet oder tatsächlich unsere Vorstellungen und Ideen einbezieht und damit beginnt über einen gesellschaftlichen Konsens zu reden?