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17.03.2014

Machen Hartz IV-Sanktionen Sinn?

Im Bundestag fand eine öffentliche Sitzung des Petitionsausschusses zu den Sanktionen bei Hartz IV statt. Die freigestellte Jobcenter-Mitarbeiterin, Inge Hannemann, fordert mit ihrer Petition die Abschaffung sämtlicher Sanktionen. Als grüne Berichterstatterin konnte ich gezielte Fragen an die Petentin stellen und dazu beitragen, das Problem der Sanktionen intensiver zu beleuchten.

Der Sitzungssaal im Paul-Löbe-Haus war bis auf den letzten Stuhl besetzt und weil die Plätze nicht reichten, gab es noch eine Liveübertragung in einen weiteren Raum. Die Petentin Inge Hannemann sagt: Sanktionen machen keinen Sinn. Denn wer Arbeitslosengeld II erhält und einen Termin im Jobcenter verpasst oder ein Stellenangebot ausschlägt, dem werden die staatlichen Zuschüsse gekürzt. Zunächst sind es 30 Prozent, wer mehrfach gegen die Regeln verstößt, dem wird mehr gekürzt und teilweise sogar die kompletten Leistungen. Das verstößt aus Sicht von Hannemann gegen die Menschenwürde, weil Betroffene in ihrer Existenz bedroht werden und nicht am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Inge Hannemann erzählt von Jobcenter-MitarbeiterInnen, die zu wenig Zeit haben, um auf die Menschen, die sie betreuen, eingehen zu können. Sie erzählt von Menschen, die wegen der Sanktionen kaum etwas zu essen haben. Von Menschen, die sich keine Fahrkarte leisten können, sich aber trotzdem beim Jobcenter melden müssen. Was Hannemann erzählt, ist deshalb so authentisch, weil sie von ihren eigenen Erfahrungen als Mitarbeiterin in einem Jobcenter berichtet. Aufwand und Nutzen von Sanktionen stehen in keinerlei Verhältnis zueinander, findet Hannemann außerdem. Denn die rund 1 Millionen Sanktionen, die 2012 ausgesprochen wurden, verursachten Verwaltungskosten in Höhe von rund 10 Millionen Euro. Gleichzeitig motivieren Sanktionen die Erwerbslosen nicht, eine Stelle zu suchen. Im Gegenteil, Sanktionen führen zu Isolation und sozialem Rückzug. Ich glaube: Wer Druck ausübt, motiviert nicht. Notwendig sind stattdessen gute Beratung und individuelle Angebote, die den Erwerbslosen entsprechen und ihnen eine wirkliche Perspektive eröffnen. Grundsätzlich streben wir Grünen eine Grundsicherung an, die auf Motivation, Hilfe und Anerkennung statt auf Bestrafung setzt. Der Grundbedarf, der für eine Teilhabe an der Gesellschaft notwendig ist, darf in Zukunft nicht mehr durch Sanktionen angetastet werden. Die verschärften Sanktionen für Menschen unter 25 Jahren müssen unverzüglich abgeschafft werden. Die Realität hat gezeigt: die bisherige Sanktionspraxis muss grundlegend verändert werden. Wir brauchen ein Wunsch- und Wahlrecht der Arbeitsuchenden in den Jobcentern, ein Verbandsklagerecht sowie Ombudsstellen, um Konflikte frühzeitig, unter Vermeidung von unnötigen und teuren Gerichtsverfahren und auf Augenhöhe zu lösen. Ein solches Prinzip der partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist mit den heutigen Sanktionsregeln und -automatismen nicht vereinbar. Bis neue faire Regeln etabliert sind, fordern wir daher ein Sanktionsmoratorium.

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