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24.06.2014

Öffentliche Petition: Hebamme - ein Beruf der auszusterben droht

Bei der gestrigen öffentlichen Anhörung im Petitionsausschuss war ich als grüne Berichterstatterin mit dabei und wieder einmal fühle ich mich bestätigt: Der Berufsstand der Hebammen ist in Gefahr. Immer weniger Hebammen können heute noch Geburtshilfe leisten –aus Kostengründen. Und immer mehr Geburtsabteilungen schließen – aus Kostengründen. Hier geht es um eine gesellschaftliche Aufgabe. Geredet wurde inzwischen genug – die Bundesregierung muss endlich handeln.

Bislang konnten werdende Eltern noch frei entscheiden, wo und wie sie ihre Kinder zur Welt bringen wollen. Doch das ändert sich – die Wahlfreiheit von Eltern ist in Gefahr. Gleichzeitig kann eine Hebamme ohne Haftpflichtversicherung nicht arbeiten. Und das bedeutet de facto Berufsverbot für all jene Hebammen, die freiberuflich arbeiten oder deren Arbeitgebenden die Versicherungsprämie nicht übernehmen. Diese Entwicklung ist fatal.

Mit Wut im Bauch forderte Sabine Schmuck daher am Montag vor dem Petitionsausschuss des Bundestages bessere Arbeitsbedingungen für sich und ihre Kolleginnen. Seit 25 Jahren arbeitet sie als Hebamme, in Ingolstadt gründete sie 2002 ein Geburtshaus. Am vergangenen Montag saß sie nun im großen Anhörungssaal des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses des Bundestages und stellte ihre Petition vor, die 52.000 Menschen unterzeichnet haben und weitere 35.000 Unterschriften hat sie mitgebracht.

Schon bald sieht die Situation so aus: Ab Juli müssen Hebammen, die Frauen bei der Geburt begleiten, noch höhere – immens hohe Prämien für ihre Berufshaftpflicht bezahlen. Mehr als 5.000 Euro im Jahr, wer nicht dem Deutschen Hebammenverband angehört sogar bis zu 8000 Euro. Das ist für viele Hebammen nicht zu erwirtschaften, sagte Sabine Schmuck. Noch vor 20 Jahren kostete die Berufshaftpflicht jährlich nur gut 180 Euro.

Sabine Schmuck sagt, sie selbst stehe kurz davor, ihren Beruf aufzugeben. Schwangere Frauen suchen inzwischen oft vergeblich nach freiberuflichen Hebammen, die sie vor, während und nach der Geburt begleiten. Viele Hebammen leisten inzwischen nur noch die Vor- und Nachsorge, denn sie zahlen lediglich 400 Euro Versicherungsprämie. In einigen Regionen gibt es inzwischen gar keine Geburtshilfe mehr. Auf Sylt beispielsweise wurde Anfang des Jahres die einzige Geburtsstation aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen. Jetzt kommen Kinder dort nur zur Welt, wenn die Mutter auf Geburtshilfe verzichtet. Denn die Hebamme vor Ort leistet nur im äußersten Notfall Hilfe. Sie hat keine Haftpflichtversicherung, um Geburten durchzuführen. Schwangere von Deutschlands prominentester Insel müssen seither vor der Geburt in sogenannte Boardinghäuser und dort auf dem Festland ihre Kinder zur Welt bringen – weit weg von der Familie und anderer Unterstützung. Die dortige Kaiserschnittrate, so Schmuck, liegt inzwischen für die Sylter Frauen bei 100 Prozent.

Der Bundestag hat Anfang Juni befristete Zuschläge als Ausgleich für hohe Versicherungskosten beschlossen, um die Hebammen zu entlasten. Ab dem 1. Juli 2015 soll es dann einen sogenannten Sicherstellungszuschlag geben. Das Ministerium, so sagt dessen Vertreterin im Ausschuss, prüfe außerdem weitere Hilfen. Für Sabine Schmuck ist das nur ein Lippenbekenntnis. Die bisherigen Maßnahmen seien nur Stückwerk, sagt sie. Sie forderte langfristige Lösungen. Beispielsweise einen Fonds, in den alle Gesundheitsberufe einzahlen.

Die freie Wahl der Eltern ist letztlich heute nur noch ein leeres Versprechen. Denn freie Wahl heißt ja eigentlich, dass werdende Mütter zwischen Hausgeburt, Geburtshaus und Klinik wählen können. Doch für viele Frauen ist dies schon heute nicht mehr möglich. Sabine Schmuck fragt im Petitionsausschuss: „Wenn wir Banken retten können, warum keine Geburtshilfe?“ Und wie zur Bestätigung schluchzt in diesem Moment ein Baby auf der Besuchertribüne laut auf.

Wirklich helfen würden Maßnahmen, die die Prämien senken. Die Argumente für und gegen eine Regressbeschränkung bzw. einen Haftungsfonds liegen auf dem Tisch. Die Bundesregierung muss nun endlich eine dieser Maßnahmen umsetzen, denn viel Zeit haben die Hebammen nicht mehr. Sind Strukturen einmal weggebrochen, wird es sehr mühselig, sie wieder aufzubauen. Wir Grünen fordern daher die Bundesregierung auf, die Situation aller Hebammen schnellstmöglich zu verbessern. Nur so kann die wohnortnahe Versorgung von Schwangeren weiterhin sichergestellt werden.

 

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