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17.07.2015

Persönliche Erklärung: Verhandlungsmandat für neue Griechenlandhilfen

Heute wurde im Bundestag über ein Mandat für die Bundesregierung abgestimmt, damit sie über weitere Griechenlandhilfen verhandeln kann. Meine Haltung ist eindeutig: Es sollen Verhandlungen geführt werden, denn ich möchte keinen Staatsbankrott Griechenlands mit all seinen sozialen Folgen für die Bevölkerung und Milliardenkosten für die Gläubiger. Deshalb haben wir Grünen heute auch ein Verhandlungsmandat zur Abstimmung gestellt, das konkrete Maßnahmen vorsieht, die Griechenland tatsächlich aus der Krise führt. Dem von der Bundesregierung vorgelegten Mandat mit all seinen Bedingungen konnte ich aber nicht zustimmen.

Die europäische Integration ist eine beispiellose Geschichte für dauerhaften Frieden, das Überwinden von Grenzen, für ein immer engeres Zusammenwachsen von Staaten und Menschen unterschiedlicher Herkunft. Und dafür ist der Euro nach wie vor das täglich sichtbarste Zeichen. Europa ist mehr als ein bloßes Zweckbündnis und ein gemeinsamer Wirtschafts- und Währungsraum. Europa ist eine Wertegemeinschaft. Ein Grexit in Griechenland würde dieses gemeinsame Europa gefährden.

Erstmalig konnte ich dem von der Bundesregierung vorgelegten Verhandlungsmandat nicht zustimmen und dies aus unterschiedlichen Gründen.

Erstens: Die Bundesregierung setzt unbeirrt auf eine harte Sparpolitik und suggeriert, Griechenland müsste endlich „seine Hausaufgaben“ machen. Tatsächlich hat Griechenland in den letzten Jahren, empirisch nachprüfbar, mehr gespart als alle anderen europäischen Länder. Die Renten und Löhne wurden dramatisch gekürzt. Das Leben wurde durch Steuererhöhungen erheblich teurer. Entstanden sind Armut und hohe Arbeitslosigkeit, gerade bei jungen Menschen. Das Gesundheitssystem kollabiert und viele Griechen haben gar keine Krankenversicherung und wissen nicht, wie sie ihre täglichen Ausgaben bestreiten sollen. Eine Grundsicherung aber gibt es nicht. Die Menschen leben häufig von der kleinen Rente der Großeltern. In der Folge ist die Wirtschaft geschrumpft und die Staatseinnahmen gesunken. Die Strategie, durch fünf Runden Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen die griechischen Schulden zu senken, ist gescheitert. Und das Referendum in Griechenland hat dies zum Ausdruck gebracht.

Mit dem neuen Verhandlungsmandat fordert die Bundesregierung jetzt erneut die Wiederholung alter Fehler: starke Rentenkürzungen, weitere Steuererhöhungen, die automatische Kürzung von Ausgaben, wenn Einnahmeziele nicht erreicht werden. Das alles wird die Wirtschaft in Griechenland noch tiefer in die Rezession treiben. Die Hauptleidtragenden der Krise sind die Menschen in Griechenland. Deshalb kann ich diese Austeritätspolitik nicht unterstützen.

Zweitens: Die Vereinbarung mit Griechenland wurde unter einem immensen Druck und schon gar nicht auf Augenhöhe verhandelt. Denn Griechenland hatte als Alternative dazu nur den von Minister Schäuble geforderten Grexit. Dazu passt, dass das griechische Parlament zukünftig keine eigenen Entscheidungen mehr treffen kann, ohne vorher die Institutionen konsultiert zu haben. Das ist ein inakzeptabler Eingriff in die staatliche Souveränität Griechenlands und das muss auf Schärfste kritisiert werden. Denn so werden die griechischen Abgeordneten in ihren demokratischen Rechten beschnitten. Das gilt auch für den Bereich der Arbeitnehmerrechte. Die Gestaltung des Tarifsystems wurde und wird weiterhin der ökonomischen Logik der Eurokrisenpolitik untergeordnet. Ich kritisiere diese Maßnahmen, da sie die Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung verschärfen, die sozialen Kosten in die Höhe treiben und in die Souveränität von Griechenland eingreifen. Auch Griechenland braucht starke Gewerkschaften – auch als Bündnispartner für strukturelle Reformen.

Drittens: Es war ein historischer Fehler der Bundesregierung einen temporären Austritt Griechenlands aus der Eurozone zu fordern. Die Bundesregierung hat sich damit gegen einen pro-europäischen parteiübergreifenden Konsens gestellt und der EU auf Dauer schweren Schaden zugefügt. Ich kritisiere deswegen die Verhandlungsstrategie und das Vorgehen von Bundesfinanzminister Schäuble und Bundeskanzlerin Merkel scharf. Nur Francois Hollande, Mario Renzi, Werner Faymann aber auch Jean-Claude Juncker ist es zu verdanken, dass am letzten Wochenende ein gemeinsames Europa gegen eine deutsche Bundesregierung mit Müh und Not verteidigt werden konnte. Die jüngsten Äußerungen des Bundesfinanzministers zeigen aber, dass die Bundesregierung den Plan einen Grexit herbei zu verhandeln, immer noch nicht aufgegeben hat. Deshalb konnte ich – gerade weil ich für ein Verhandlungsmandat bin – den Antrag der Bundesregierung nicht unterstützen.

In unserem eigenen Verhandlungsmandat formulieren wir hingegen, welche Inhalte aus unserer Sicht das 3. Hilfspaket haben sollte – wir wollen klar den Grexit verhindern, aber zu fairen Konditionen für die Griechinnen und Griechen.

Die aktuellen Empfehlungen des IWF zur Sicherung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands müssen Berücksichtigung finden. Mindestens eine verbindliche Vereinbarung über die erforderliche Verlängerung der Stundungs- und Rückzahlungszeiträume für bestehende und neue Kredite ist notwendig, um das Entstehen einer Abwärtsspirale zu verhindern, die den Schuldenberg aufgrund des Schuldendienstes immer weiter erhöhen würde. Darüber hinaus sind gerechte und sinnvolle Strukturreformen, Zukunftsinvestitionen im Sinne eines Green New Deal und sozial gerechte Haushaltskonsolidierung mit einer Stärkung der Einnahmeseite durch ein gerechtes Steuersystem notwendig. Griechenland braucht Investitionen in die Zukunft, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen. Die Unabhängigkeit der Steuerverwaltung und Wettbewerbsbehörde muss gestärkt, Steuerprivilegien abgeschafft und Steuerflucht sowie Korruption bekämpft werden. Darüber hinaus muss ein vertrauenswürdiges und leistungsfähiges Justizsystem aufgebaut werden. Große Vermögen und große Einkommen müssen an der Finanzierung der Gemeinwesen im erforderlichen Umfang beteiligt werden. Die überdurchschnittlich hohe Militär- und Verteidigungsetat muss gekürzt und strukturell zurückgefahren werden.

Wir Grüne haben diesen Antrag eingebracht, weil wir nicht mehr bereit sind, dieser Bundesregierung ein unbeschränktes Verhandlungsmandat zu erteilen. Deshalb habe ich nur dem grünen Antrag zugestimmt.

 

Persönliche Erklärung als PDF

Grüner Antrag Verhandlungsmandat

Entschließungsantrag