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14.12.2012

Persönliche Erklärung: Stationierung Patriots

Wir mussten über die Stationierung der Patriots im Bundestag abstimmen. Die Entscheidung war für mich nicht einfach, da ich militärische Mandate sehr skeptisch beurteile. Aufgrund der defensiven Ausrichtung, dem eindeutigen Mandat und der Hoffnung damit zu einer Deeskalation beitragen zu können, habe ich zugestimmt.

Ich stehe militärischen Einsätzen prinzipiell sehr kritisch gegenüber und setze vielmehr auf zivile Konfliktbearbeitung. Im Falle der Stationierung der Patriots aber habe ich mich nach gründlicher Abwägung für eine Zustimmung entschieden.

Seit Beginn der Protestbewegungen gegen das Regime von Bashar al-Assad in Syrien hat sich aus einer friedlichen Bewegung für Freiheit und Selbstbestimmung ein blutiger Bürgerkrieg entwickelt. Der Konflikt ist unübersichtlich geworden und der Zustand in Syrien kann nur als fragil bezeichnet werden. So wurden wir in den letzten Tagen Zeugen bedenklicher Entwicklungen in Syrien. In den Zerfallsprozessen des syrischen Regimes schwinden die klaren Kommandostrukturen der Armee. Es ist nun denkbar, dass einzelne Kräfte die – im Sinne des Regimes eigentlich irrationale – Entscheidung treffen könnten, die Türkei mit ballistischen Raketen zu beschießen. Unabhängig davon, wie realistisch solche Szenarien sind, kann ich die Verunsicherung und die Ängste der Menschen in der Türkei nachvollziehen und damit auch die Anfrage der Türkei zur Stationierung deutscher Raketenabwehrsysteme vom Typ Patriot. Denn sie können zur Abwehr dieser Bedrohung dienen und ggf. das Eskalationspotenzial eines solchen Angriffs mindern. Wichtig bei meiner Entscheidung war mir, dass die letzten Äußerungen der russischen Regierung darauf hindeuten, dass auch Moskau sich der Dynamik dieses Zerfallsprozesses und seiner Gefahren zunehmend bewusst ist. Die russische Regierung scheint die Stationierung der Patriot-Systeme nicht mehr als provokative Geste zu verstehen, die einer friedlichen, multilateralen Lösungsperspektive für den syrischen Konflikt entgegensteht.

Neben der Tatsache, dass die Patriots ausschließlich defensiv eingesetzt werden können, war für meine Zustimmung entscheidend, dass wir Grünen die Anfrage der Türkei zur Stationierung der Patriot-Raketenabwehrsysteme von Anfang an sehr kritisch begleitet haben und die Bundesregierung alle unsere Bedenken schlussendlich ausgeräumt hat.

Die deutschen Patriot-Systeme werden nun rund 100 km entfernt von der Grenze in einem Ballungszentrum mit etwa 500.000 Einwohnern aufgestellt, wo sie zur Gefahrenabwehr für die türkische Bevölkerung Sinn machen. Die Patriots der Bundeswehr haben eine so genannte „Bekämpfungsreichweite“ von ca. 68 Kilometern und können von diesem Standort Syrien nicht erreichen. Die Stationierung der Raketenabwehrsysteme in unmittelbarer Nähe zur Grenze hätte sie zu einem Instrument gemacht, mit dem eine völkerrechtswidrige Flugverbotszone erzwungen werden könnte. Denn neben Lenkflugkörpern können Patriots auch Hubschrauber und tief fliegende Flugzeuge abfangen. Eine Flugverbotszone auf syrischem Gebiet hatte die türkische Regierungsvertreter in den Tagen vor der Voranfrage öffentlich ins Gespräch gebracht. Allerdings schließt das Bundestagsmandat das Heranziehen der Systeme zur Einrichtung einer Flugverbotszone definitiv aus. Die Patriots stehen darüber hinaus unter dem Kommando der NATO und unterliegen nicht direktem Zugriff durch das türkische Militär. Zudem hat die Bundesregierung auf eine Stationierung der Patriots in den zurzeit angespannten kurdischen Gebieten der Türkei verzichtet. Vor diesem Hintergrund ist gewährleistet, dass die Patriots nicht in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt werden können.

Sollen die Patriots von dem jetzigen Standort weg bewegt werden, wird nach der Zusicherung der Bundesregierung der Bundestag damit befasst. In der Folge ist die Zustimmung verbunden mit einer hohen Wachsamkeit über den genauen Einsatz der Systeme. Unsere Fraktion wird die Bundesregierung drängen, ihren Informationspflichten genauestens nachzukommen. Für den Fall, dass die Patriots so weit in Richtung Syrien verlegt werden sollen, dass sie Ziele auf syrischem Gebiet erreichen könnten, kann ich heute schon versichern, dass ich solch einem neuen Mandat nicht zustimmen werde. Die Zustimmung ist darüber hinaus mit der dringenden Aufforderung an die Bundesregierung verbunden, sich auch und vor allem auf ziviler Ebene mit der gewaltfreien syrischen Opposition und den Nachbarstaaten, die hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen haben, solidarisch zu zeigen. Das bisherige Handeln der Bundesregierung hier ist beschämend. Das liefert einerseits denjenigen Kräften in der Türkei Vorschub, die die Partnerschaft ihres Landes in der NATO und den Annäherungsprozess an die EU kritisieren und beschädigt andererseits massiv die Glaubwürdigkeit Deutschlands als Partner der syrischen Zivilgesellschaft beim Aufbau einer neuen, demokratischen Staatsordnung nach dem Ende des bewaffneten Konflikts. Deshalb fordern wir Grünen, dass die Bundesregierung ihre Flüchtlingspolitik grundlegend ändert.

 

Persönliche Erklärung