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27.02.2012

Persönliche Erklärung: Zweites Rettungspaket für Griechenland

Nach langen Verhandlungen mit Griechenland wurde heute das zweite Rettungspaket für Griechenland im Bundestag ohne Kanzlermehrheit mit Stimmen der Opposition beschlossen. Ich habe an den geforderten Spaßnahmen erhebliche Kritik. Aus europäischer Solidarität und politischer Verantwortung habe ich dennoch dem Rettungspaket zugestimmt, denn ein Staatsbankrott Griechenlands wäre für die Menschen noch schlimmer.

Persönliche Erklärung von Beate Müller-Gemmeke, Wolfgang Strengmann-Kuhn, Thilo Hoppe, Maria Klein-Schmeink, Monika Lazar, Memet Kilic gemäß § 31 GO-BT zur Abstimmung am 27. Februar 2012 im Deutschen Bundestag über das zweite Rettungspaket für Griechenland.

Wir stehen heute vor der Frage, ob wir als Mitglieder des Deutschen Bundestages das zweite Hilfspaket für Griechenland parlamentarisch legitimieren oder nicht. Wir bereits bei früheren Entscheidungen können wir die Details des Hilfspakets, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten der Eurogruppe ausgehandelt wurden, nicht mehr mit aus unserer Sicht notwendigen Verbesserungen versehen. Aber: die Alternative, nämlich ein Staatsbankrott Griechenland, wäre sowohl für die griechische Bevölkerung als auch für die Europäische Union insgesamt wesentlich schlimmer. Obwohl das zweite Rettungspaket einmal mehr sozial unverträglich ausgestaltet ist und zudem seine Ziele zu verfehlen droht, stimmen wir also dennoch zu. Denn Griechenland braucht Hilfe und unsere europäische Solidarität.

Am 7. Mai 2010 haben wir in einer Persönlichen Erklärung geschrieben: „Profitiert von Miss- und Günstlingswirtschaft und Spekulationen haben nur wenige. Weniger Investitionen, weniger Nachfrage, geschweige denn ein ökologischer Umbau von Wirtschaft und Tourismus: Griechenland steht vor einer jahrelangen Rezession, die sich natürlich auch auf den Arbeitsmarkt niederschlagen wird. Auch hier werden die Verlierer bestimmt nicht jene sein, die die Misere mit zu verantworten haben.“

Unsere damaligen Befürchtungen haben sich bewahrheitet. Griechenland hat beispiellos gespart und ist dafür in eine tiefe Rezession gefallen. Aber dennoch wurde auch beim zweiten Rettungspaket dieser Weg mit beispielslosem und teilweise unwürdigem Druck auf Griechenland weiter verfolgt. Im Mittelpunkt steht ein Sparprogramm bei den Sozialsystemen, Löhnen und Mindestlöhnen. Sparen allein ist aber der falsche Weg. Griechenland muss vielmehr konsolidieren, denn Griechenland hat vor allem auch ein Einnahmeproblem. Milliarden von Euro wurden durch Steuerhinterziehung dem Zugriff des griechischen Staates entzogen. Das Land benötigt Hilfe, seine Vermögen zur Finanzierung der Krise heranzuziehen. Dabei müssen ihm die EU-Partner zur Seite stehen. In der Schweiz allein werden an die 286 Milliarden griechisches Vermögen vermutet. Steuerflucht können die Europäischen Nationen aber nur gemeinsam bekämpfen.

Konsolidieren heißt aber auch investieren. Das neue Sparpaket wird Griechenland aber lediglich tiefer in die Rezession treiben und realwirtschaftlich weiter bremsen. Griechenland braucht nicht nur Kredite, sondern auch Investitionen und ein Programm, das die Wirtschaft ankurbelt und Perspektiven ermöglicht. Nur ein Green New Deal eröffnet Chancen für Griechenland. Nur wenn in eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschaft investiert wird, können Wertschöpfung und Arbeitsplätze gesichert und Schulden abgetragen werden. Eine reine Sparpolitik schwächt hingegen das wirtschaftliche und soziale System in Griechenland. Die Hilfen bleiben ohne Wirkung.

Der überdimensionierte Militärhaushalt wurde zu spät und jetzt zu wenig in die Strukturreform einbezogen. Dafür führt aber der unerträgliche Sparkurs Griechenland in eine unverantwortliche soziale Schieflage. Das ist nicht akzeptabel. Es trifft die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Studentinnen und Studenten, Pensionärinnen und Pensionäre. Ihnen gilt unsere Solidarität. Denn der strikte Sparkurs führt zu Arbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit und nimmt vor allem den jungen Menschen jegliche Perspektiven. Die Kürzung beispielsweise des Mindestlohns trifft die Ärmsten und führt gleichermaßen zu einem gleichhohen Nachfragerückgang zu Lasten der griechischen Gewerbetreibenden. Das ist nicht nur unsozial, sondern auch ökonomisch schädlich. Vor allem aber kritisieren wir scharf die Eingriffe in die Tarifautonomie. Wenn der durch einen nationalen Tarifvertrag festgelegte Mindestlohn gesetzlich gekürzt wird und die Tarifpartner nicht mehr frei verhandeln können, dann greift das tief in das Recht auf freie Tarifverhandlungen ein. Das widerspricht grundlegend der europäischen Grundrechtecharta. Damit erreichen die Sparmaßnahmen ein Ausmaß, das mit dem europäischen Sozialmodell nicht vereinbar ist. Nur mit Mindeststandards, Arbeitnehmerrechten und Solidarität ist Europa ein soziales und demokratisches Konstrukt.

Natürlich ist ein Konsolidierungskurs notwendig. Mit diesen Bedingungen für das zweite Rettungsparket ist jedoch wieder zu befürchten, dass der griechische Schuldenberg nicht kleiner, sondern größer werden wird. Aus europäischer Solidarität und politischer Verantwortung stimmen wir dennoch dem Rettungspaket zu, denn ein Staatsbankrott Griechenlands wäre noch schlimmer für die Menschen.

 

Entschließungsantrag