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03.12.2009

Rede: Beschäftigtendatenschutz

Mit ihrer ersten Rede im Bundestag brachte Beate Müller-Gemmeke auch gleich ihren ersten Antrag ein. Sie forderte ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz. Gerade jetzt, wenn die Arbeitsmarktlage angespannt ist und Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes besteht, müssen verunsicherte Beschäftigte in ihren Rechten gestärkt werden.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Guten Morgen, liebe Sozialdemokraten, auch ich muss es noch einmal sagen: Sie haben zehn Jahre im Ministerium für Arbeit und Soziales regiert, aber erst heute kommen Sie mit einem Gesetzentwurf zum Beschäftigtenschutz. All die Jahre haben Sie es nicht geschafft, das Thema angemessen zu bearbeiten,

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie waren auch ein paar Jahre dabei!)

und das trotz der vielen Skandale, die in den letzten Jah­ren durch die Medien gingen. Natürlich ist es richtig, dass Sie dieses wichtige Thema auf die Agenda des Deutschen Bundestages setzen. Wir unterstützen das, le­gen aber einen eigenen Antrag vor; denn Ihre Forderun­gen gehen uns nicht weit genug.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Frieser, es ist Realität, dass die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in vielen Un­ternehmen mit Füßen getreten wurden.

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Das gilt nicht für alle!)

Die Vorfälle sind mir eindrücklich in Erinnerung geblie­ben, beispielsweise die systematische Überwachung des Mailverkehrs von weit über 80 000 Beschäftigten bei der Bahn, die Bespitzelung der Betriebsräte bei der Tele­kom, das gezielte Erfassen von Krankheitsdaten und die Videoüberwachung bei Lidl, das heimliche Speichern von Krankendaten bei Daimler und nicht zuletzt die Vor­würfe der Bespitzelung von Beschäftigten bei Edeka. All dies sind prominente Beispiele für den Missbrauch von Daten der Beschäftigten, aber das ist bestimmt nur die Spitze des Eisbergs. Das ist und bleibt ein Skandal und muss vom Gesetzgeber unbedingt unterbunden werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das ist auch die Meinung des Bundesarbeits­gerichts. Auf die Missstände beim Beschäftigtendaten­schutz wurde schon mehrfach hingewiesen. Der Spre­cher des Gerichts stellte gegenüber dem Tagesspiegel fest, dass es jede Menge Rechtsunsicherheit gebe. Herr Frieser und Frau Piltz, die Präsidentin des Gerichts for­dert ein eigenständiges Datenschutzgesetz für Beschäf­tigte. Ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzge­setz haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode gefordert. Aber wir sind mit dieser Forderung auf taube Ohren gestoßen. CDU/CSU und SPD haben unseren da­maligen Antrag abgelehnt.

Jetzt kann ich nur hoffen, dass CDU/CSU und FDP endlich begreifen, dass in diesem Bereich erheblicher Reglungsbedarf besteht. Vor allem appelliere ich an die Regierungsfraktionen, ihr Vorhaben, den Beschäftigten­datenschutz lediglich in einem Kapitel des Bundesdaten­schutzgesetzes zu regeln, aufzugeben.

(Michael Frieser [CDU/CSU]: Das reicht doch aus!)

Der Datenschutz für Beschäftigte muss klar, eindeutig und umfassend geregelt werden. Diesem Anspruch wird man mit einem Kapitel im Bundesdatenschutzgesetz bei weitem nicht gerecht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen vor allem weiter gehende Regelungen; denn gegenwärtig herrscht ein unter bürgerrechtlichen Gesichtspunkten unhaltbarer Zustand. Diesbezüglich geht unser Antrag über den Gesetzentwurf der SPD hi­naus:

Erstens. Wir wollen ein Klagerecht für Gewerk­schaften, damit auch Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer ohne betriebliche Interessenvertretung zu ihrem Recht kommen können.

Zweitens. Wir wollen höhere Bußgelder. Die Vergan­genheit hat gezeigt, dass die jetzige Bußgeldregelung wenig abschreckende Wirkung hat. Wenn die Persön­lichkeitsrechte von Beschäftigten verletzt werden, dann ist das kein Kavaliersdelikt. Das muss endlich deutlich werden und spürbar bestraft werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])

Drittens – das ist ganz wichtig – müssen auch die Arbeitsuchenden bei der Bundesagentur für Arbeit in den Beschäftigtenschutz einbezogen werden. Dass das dringend notwendig ist, hat der Skandal bei der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit gezeigt.

Ich sage es noch einmal: Die Regierungsfraktionen sollen dieses wichtige Thema endlich aufgreifen. Die Beschäftigten sind in ihrer Abhängigkeit von den Arbeit­gebenden besonders schutzbedürftig. In diesem Sinne greift der neue § 32 des Bundesdatenschutzgesetzes zu kurz. Er enthält allenfalls Generalklauseln, die letztend­lich keine Rechtssicherheit bieten, weder für die Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer noch für die Unterneh­men.

Es bleibt also noch viel zu tun, bis die Rechte der Ar­beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserer schnellle­bigen Informationsgesellschaft geschützt sind. Gerade in Zeiten, in denen die Arbeitsmarktlage angespannt ist und die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust bis weit in die Mitte der Gesellschaft reicht, müssen Beschäftigte wert­geschätzt, fair behandelt und endlich in ihren Rechten gestärkt werden. Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Müller-Gemmeke, auch Ihnen gratu­liere ich zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag im Namen des ganzen Hauses. Herzlichen Glück­wunsch.

(Beifall)