Inhalt

01.10.2010

Rede: Boom in der Leiharbeit stoppen

Im Januar hatte Beate Müller-Gemmeke ihren Antrag zur Regulierung der Leiharbeit eingebracht. Jetzt wurde dieser Antrag im Bundestag in 2. Lesung von den Regierungsfraktionen abgelehnt. In ihrer Rede kritisierte Beate Müller-Gemmeke die fehlende Regulierung der Leiharbeit seitens der Bundesregierung mit der Folge, dass jetzt nach der Krise nicht reguläre Beschäftigung sondern vor allem Beschäftigung in der Leiharbeit entstehe. Sie fordert „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ und insgesamt eine Politik des Respekts.

Das Wort hat nun die Kollegin Beate Müller-Gemmeke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wirtschaftsminister Brüderle sagte in seiner Haushaltsrede, der Aufschwung sei ein Beschäftigungsaufschwung und das deutsche Jobwunder löse Hunderttausende persönliche Konjunkturprogramme aus.

(Pascal Kober (FDP): Recht hat er!)

„Beschäftigungsaufschwung“ bedeutet aber für mich, dass reguläre Beschäftigung entsteht. Wir können momentan allerdings nur einen Aufschwung in der Leiharbeitsbranche verzeichnen. Die Zahl der Leiharbeitskräfte hat bereits im Juni den alten Rekord vom Juli 2008 also vor der Krise gebrochen. Laut Branche hat sie also mit 826 000 Leiharbeitskräften im Juni ihre Höchstmarke erreicht. Dieses Jobwunder kann ich nur als bedenklich bezeichnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Leiharbeitskräfte müssen jeden Euro fünfmal umdrehen. Von Anschaffungen, Urlaub und Freizeitaktivitäten können sie nur träumen. Leiharbeitskräfte sind vor allem junge Menschen. An Familienplanung ist nicht zu denken. Der Boom in der Leiharbeit löst daher wahrlich keine persönlichen Konjunkturprogramme aus, wie Minister Brüderle meint. Konjunktur hat einzig und allein das aufstockende Arbeitslosengeld II. Dennoch haben wir die Krise gut überstanden. Dazu hat vor allem das Zusammenhalten der Tarifpartner viel beigetragen. Der Regierung kann man allenfalls zugutehalten, dass sie dabei nicht wesentlich gestört hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Sachen Leiharbeit hat das Arbeitsministerium aber schlichtweg versagt.

(Karl Schiewerling (CDU/CSU): Zum Beispiel mit dem Kurzarbeitergeld!)

Seit Dezember wird angekündigt, dass das Arbeitsministerium etwas gegen den Missbrauch in der Leiharbeit vorlegen will. Im Bundestag wurde hierzu noch immer nichts beschlossen. Der Gesetzesentwurf der Ministerin kommt schlichtweg zu spät und ist zudem nicht ausreichend. Damit wird sich die Leiharbeit weiter ausweiten.

Schon lange fordern wir die Regulierung der Leiharbeit, damit im momentanen Aufschwung reguläre Beschäftigungsverhältnisse entstehen können. Die Bundesregierung hat aber nichts gegen den Aufbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse getan. Das zeigt einmal mehr, wohin die Reise gehen soll. Der Niedriglohnbereich soll nicht begrenzt, sondern eher noch ausgebaut werden. Ich kann nur fragen: Wie weit wollen Sie das eigentlich noch treiben? In meinem Wahlkreis gibt es beispielsweise einen Betrieb mit 102 Festangestellten und über 80 Leiharbeitskräften. Das ist kein Einzelfall. Herr Kollege Kober kann diesen Betrieb in Reutlingen gern einmal besuchen.

Immer mehr Menschen leben in Unsicherheit und Angst, und immer mehr Menschen müssen von niedrigen Löhnen leben. Sie, die Regierungsfraktionen, machen Politik gegen und nicht für die Menschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fordere Sie auf: Sorgen Sie endlich dafür, dass die Leiharbeit nicht weiter reguläre Beschäftigung verdrängt und zur Absenkung der Löhne führt! Ich verzichte darauf, all unsere Forderungen gebetsmühlenartig zu wiederholen. Alle notwendigen Maßnahmen und Argumente können Sie in unserem Antrag nachlesen.

Ich möchte unsere Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in den Mittelpunkt stellen und mit der Haushaltswoche verbinden. Das Sparpaket ist und bleibt sozial unausgewogen. Sie könnten einen deutlich gerechteren Weg gehen. Regulieren Sie einfach die Leiharbeit! Führen Sie das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ein! Beenden Sie die Subventionierung von Unternehmen! Damit reduzieren Sie die Ausgaben für aufstockendes Arbeitslosengeld II und entlasten den Haushalt. Gleichzeitig sorgen Sie so für höhere Steuereinnahmen und Mehreinnahmen bei den Sozialversicherungen. Machen Sie den Weg frei für reguläre Beschäftigung und faire Löhne! Das wäre wesentlich gerechter als auf dem Rücken der Schwächsten in unserer Gesellschaft zu sparen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich versichere Ihnen, dass Sie auch die Sympathie der Gewerkschaften, der Beschäftigten und der Opposition haben, wenn Sie diesen Schritt wagen. Ich versichere Ihnen, dass dann auch viele Arbeitgeber erleichtert sein werden, nämlich diejenigen, die das Instrument Leiharbeit nicht missbrauchen und gerechte Löhne zahlen. Denn diese Betriebe leiden unter der Konkurrenz, die die Löhne durch Leiharbeit drückt.

Zeigen Sie endlich wirtschafts- und sozialpolitische Kompetenz! Sorgen Sie für einen fairen Wettbewerbsrahmen, indem Sie die Leiharbeit sozialverträglich ausgestalten! Degradieren Sie die Leiharbeitskräfte nicht zu Beschäftigten zweiter Klasse! Es wird Zeit, dass Sie die Leistung der Leiharbeitskräfte wirklich wertschätzen. Machen Sie endlich eine Politik des Respekts! Wie das geht, ich sagte es schon, können Sie in unserem Antrag nachlesen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Hier finden Sie den Antrag von Beate Müller-Gemmeke zum Thema Leiharbeit.