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07.04.2011

Rede: Entgeltgleichheit



Frauen verdienen noch immer weniger als Männer. Ein entscheidender Grund dafür ist, dass Tätigkeiten nicht mit geschlechtsneutralen Kriterien bewertet werden. Selbstverpflichtung und Freiwilligkeit reicht nicht aus, um die Lohndiskriminierung von Frauen zu beenden. Wir brauchen gesetzliche Regelungen, damit „gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ endlich durchgesetzt wird.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke vom Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist eine Selbstverständlichkeit, und Frauen arbeiten natürlich in allen Branchen. Dass beispielsweise Pilotinnen sich nicht mehr lange so kluge Männersprüche anhören müssen wie: „Wenn Gott gewollt hätte, dass Frauen fliegen, dann wäre der Himmel rosa geworden“, dafür werden wir auch noch sorgen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ ist gesetzlich festgeschrieben. Grundsätzlich ist das ja auch gesellschaftlicher Konsens; aber leider sieht die Realität anders aus. Die Erklärungen für die ungleiche Entlohnung von Frauen sind natürlich vielfältig ‑ wir haben ja auch heute schon viele gehört ‑, wie zum Beispiel unterschiedliche berufliche Präferenzen oder berufliche Unterbrechungen wegen Kindererziehung. Das sind aber nur Erklärungen. Eine zentrale Ursache ist die unterschiedliche und somit diskriminierende Behandlung von Frauen im Berufsleben. Wir sehen es also genauso wie die SPD: Das Verbot der Entgeltdiskriminierung ist vorhanden, was fehlt, ist ein Verfahren, wie die Entgeltgleichheit durchgesetzt werden kann, und vor allem der politische Wille, etwas zu verändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung bringen keinen Erfolg, liebe FDP. Wir wollen zwar die Betriebsräte und Personalräte stärken, aber auch in die Pflicht nehmen; denn sie haben eine wichtige Schlüsselrolle inne. Vor allem aber brauchen wir gesetzliche Regelungen, damit endlich Schluss ist mit der Lohndiskriminierung von Frauen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen, warum verdienen Teilzeitbeschäftigte weniger als ihre Kollegen in Vollzeit? Natürlich deswegen, weil dort häufig Frauen arbeiten. Bei wem fransen die Löhne im Niedriglohnbereich besonders nach unten aus? Natürlich bei den Frauen. In Ihrem Koalitionsvertrag steht, Sie wollen die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen abschaffen. Dann tun Sie doch etwas.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Machen Sie endlich den Weg frei für einen gesetzlichen Mindestlohn, für mehr branchenspezifische Mindestlöhne, für mehr allgemeinverbindlich erklärte Tariflöhne, und reformieren Sie insbesondere die Minijobs!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das fordert auch der Gleichstellungsbericht „Neue Wege ‑ Gleiche Chancen“. Auch wenn die Ministerin das Gutachten nicht persönlich entgegengenommen hat: Lesen sollte sie die Handlungsempfehlungen schon, und vor allem sollte sie endlich tätig werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die mittelbare Diskriminierung von Frauen ist kein einfaches Thema. Aber genau das geht die SPD zu Recht an. Auch wir Grünen arbeiten an einem Konzept. Es geht um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und um die Kriterien, wie Arbeit bewertet wird. Fakt ist, dass hinter vermeintlich geschlechtsneutralen Formulierungen viel zu häufig Kriterien stehen, die eindeutig zu Einkommensunterschieden und somit zu Benachteiligungen von Frauen führen. So wird beispielsweise bei frauendominierten Tätigkeiten die Anforderung „soziale Kompetenz“ nicht bewertet, in klassischen Männerberufen, zum Beispiel auf dem Bau, wird aber die notwendige Muskelkraft besonders hoch bewertet, hingegen die körperlichen und psychischen Belastungen der Pflege wiederum ignoriert.

(Christel Humme (SPD): Genau!)

Hier finden wir unsere Geschlechterrollen wieder, die direkt und indirekt in die Bewertung von Arbeit auf betrieblicher Ebene und ebenso in Tarifverträgen einfließen. Die schlecht bezahlten Berufe sind eindeutig noch immer Frauensache. Das muss endlich durch eine geschlechtsneutrale Arbeitsbewertung verändert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Warum bekommen Männer, die Baumaterial tragen, mehr Lohn als Erzieherinnen, die quirlige Kinder tragen? Warum verdienen in Bayern Kraftfahrer, die Bier fahren, um die 2 600 Euro, Kellnerinnen aber, die Bier schleppen, nur 1 900 Euro? Warum werden Hochschulsekretärinnen, obwohl von ihnen häufig die Kenntnis von zwei Fremdsprachen verlangt wird, wie Schreibkräfte eingestuft? Ich frage also die Ministerin, die ja leider heute nicht da ist, wie sie den jungen Frauen erklären möchte, dass sie sich zwar um die Jungs in der Gesellschaft kümmern möchte, dass sie allerdings nichts, aber auch gar nichts macht, um diese Einkommenslücke zu verkleinern. Stattdessen schiebt sie sogar den Frauen selbst die Schuld in die Schuhe, dass sie so wenig verdienen. Ich zitiere aus dem Spiegel-Interview vom 8. November 2010: Viele Frauen studieren gern Germanistik und Geisteswissenschaften, Männer dagegen Elektrotechnik ‑ und das hat dann eben auch Konsequenzen beim Gehalt. So einfach ist das für die Ministerin.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ‑ Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unmöglich! – Zurufe von der LINKEN)

Das ist aber blanker Hohn in den Ohren vieler gut ausgebildeter und motivierter Frauen. Nicht die Frauen entscheiden sich für die falschen Berufe, vielmehr muss der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ durchgesetzt werden,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

damit die sogenannten Frauenberufe endlich aufgewertet werden. So wird ein Schuh daraus, Frau Ministerin; denn Frauen verdienen mehr.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)