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04.07.2011

Rede: Europäische Betriebsräte



Europäische Betriebsräte sind enorm wichtig, denn eine Vielzahl von Unternehmen agieren global und treffen über Staatsgrenzen hinweg Entscheidungen. 2009 wurde mit viel Widerstände die entsprechende EU-Richtlinie verbessert. Und endlich setzt die Bundesregierung diese Regelungen in nationales Recht um. Der Gesetzentwurf setzt einige wichtige neue Regelungen um, aber dennoch hat die Bundesregierung ihren Gestaltungsspielraum nicht genutzt. Hier wäre mehr möglich gewesen, um die Sozialpartner besser auf Augenhöhe zu bringen.

Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Müller-Gemmeke hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ­NEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin­nen und Kollegen! Die Geschichte der Europäischen Be­triebsräte ist eine Erfolgsgeschichte. Heute existieren eu­ropaweit etwa 900 Europäische Betriebsräte, davon circa 160 in Deutschland. Ihr Engagement ist enorm wichtig.

2009 trat die notwendige Neufassung der EU-Richtli­nie in Kraft. Auch das ist ein Erfolg. Es stimmt: Das war harte Arbeit. Die Rechte auf Anhörung und Unterrich­tung sind endlich klar definiert. Die Arbeitnehmerseite kann zur Gründung eines Europäischen Betriebsrats Sachverstand aus den Gewerkschaften hinzuziehen, und die Mitglieder haben endlich Anspruch auf Schulung und Qualifizierung. Das alles ist notwendig und eine Korrektur, die wir begrüßen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN­KEN)

Jetzt muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Die meisten Regelungen müssen eins zu eins umgesetzt werden. Diese Forderung erfüllt der vorlie­gende Gesetzentwurf weitgehend. Das ist allerdings eine Selbstverständlichkeit. Es gibt auch nationale Spielräume und Kannbestimmungen. Durch die Nutzung dieser Mög­lichkeiten könnten die Arbeitnehmerrechte weiter ge­stärkt werden, aber das war für die Bundesregierung dann wohl doch zu viel. In der Expertenanhörung wurde deut­lich, dass manche Regelungen nicht präzise genug und ei­nige Punkte zu ergänzen sind. Mein Fazit ist: Der Gestal­tungsspielraum wurde von der Bundesregierung nicht genutzt. Ich möchte drei Beispiele nennen:

Erstens. In der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, wirksame, abschreckende und im Verhält­nis zur Schwere der Zuwiderhandlung angemessene Sanktionen festzulegen. Die Bundesregierung hat hier nichts verändert. Sie bleibt bei einer Obergrenze von 15 000 Euro Geldbuße.

(Katja Kipping [DIE LINKE]: Peinlich!)

Seien Sie doch ehrlich: Für multinationale Konzerne sind das Peanuts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Die lachen darüber! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Noch eine Null dranhängen!)

– Eine Null dranhängen, genau.

Zweitens. Wenn Europäische Betriebsräte nicht unter­richtet und angehört wurden, brauchen sie, gerade weil diese Sanktionen so schwach sind, zudem ein Unterlas­sungsrecht, damit die Umsetzung von Beschlüssen ver­hindert werden kann.

Drittens. Wie soll in der Praxis die Unterrichtung der örtlichen Arbeitnehmervertretungen durch die Europäi­schen Betriebsräte aussehen? Dafür müssen sie Zutritt zu den jeweiligen Betriebsstätten erhalten. Die Bundesre­gierung meint, dies sei implizit geregelt. Ich meine, das ist zu wenig. Die Regelung des Zutrittsrechts im Gesetz ist notwendig. Ansonsten sind Rechtsstreitigkeiten vor­programmiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

In dem SPD-Antrag werden diese Punkte aufgegriffen. Deswegen werden wir diesem Antrag zustimmen.

In dem Gesetzentwurf hingegen erkenne ich weitere Mängel. So macht die Bundesregierung beispielsweise von einer Kannbestimmung zuungunsten der Arbeitneh­merseite Gebrauch. In Tendenzbetrieben sollen die An­hörungsrechte der Europäischen Betriebsräte einge­schränkt werden. Das ist nicht gerechtfertigt und auch nicht notwendig. Auch die Inhalte von Schulungen soll­ten präzisiert werden, damit die Europäischen Betriebs­räte ohne Probleme alle notwendigen Qualifizierungen erhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Re­gierungsfraktionen, viele Unternehmen in der Europäi­schen Union sind grenzüberschreitend aktiv. Sie operie­ren global, sind vernetzt und treffen über Staatsgrenzen hinweg Entscheidungen. Die Arbeitnehmerseite sitzt einfach am kürzeren Hebel. Es ist unsere Aufgabe, ihre Mitwirkungsrechte zu stärken, und es ist unsere Auf­gabe, auf nationaler Ebene das europäische Sozialmodell weiterzuentwickeln.

Hier wäre mehr möglich gewesen, um die Sozialpart­ner besser auf Augenhöhe zu bringen. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf enthalten. Ich meine, die Europäischen Betriebsräte hät­ten mehr Unterstützung von der Bundesregierung ver­dient.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Mehr zum Thema:

Die Persönliche Erklärung zum Gesetzentwurf.