Inhalt

12.05.2011

Rede: Leiharbeit – die Dritte



Das Verfahren zur Reform der Leiharbeit ist miserabel! Jetzt – nachträglich – bringt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Kontrolle der Leiharbeit auf den Weg. Die Lohnuntergrenze und die so genannte „Drehtürklausel“ – wenn Leiharbeitskräfte Equal Pay erhalten müssen, da sie während den sechs Monate zuvor schon beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt waren – müssen effektiv kontrolliert werden. Ich kritisiere, dass gerade bei der Drehtürklausel die Kontrollen nicht effizient ausgestaltet werden. Das ist aber notwendig, denn es geht um die Rechte der Leiharbeitskräfte.

Vizepräsident Eduard Oswald: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke vom Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Zunächst einmal muss ich meinem Ärger über Verfahren der Bundesregierung Luft machen. Die Reform der Arbeitnehmerüberlassung wurde über ein Jahr lang lautstark angekündigt. Dann legte die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, ohne Lohnuntergrenze. Diese folgte im Laufe des Verfahrens über einen Änderungsantrag. Heute, im dritten Anlauf, kommt nun ein Gesetzentwurf zur Kontrolle. Mittlerweile haben wir die Arbeitnehmerfreizügigkeit, aber noch keine allgemeinverbindlich erklärte Lohnuntergrenze. Es wurde viel Zeit vertrödelt. Ich kann das gesamte Verfahren nur als miserabel bezeichnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Jetzt aber zum Inhalt. Anscheinend bin ich mehr oder weniger die Einzige, die zum Gesetzentwurf redet. Die gute Nachricht ist, dass die Meldepflicht eingeführt wird, und vor allem, dass die Einhaltung der Lohnuntergrenze von den Behörden der Zollverwaltung kontrolliert und ihre Verletzung entsprechend dem Verfahren bei Nichteinhaltung der Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz sanktioniert wird.

Jetzt habe ich aber eigentlich nur noch kritische Anmerkungen. Die Bundesregierung hat einen zusätzlichen Personalbedarf von 156 Stellen für die Zollverwaltung berechnet, und zwar auf der Grundlage von 700 000 Leiharbeitskräften; tatsächlich sind es aber über 900 000. Der Clou kommt noch: Über die zusätzlichen Mittel soll erst beim nächsten Haushalt entschieden werden. Meine Frage ist also: Soll der Mindestlohn in der Leiharbeit in diesem Jahr überhaupt nicht kontrolliert werden oder, wenn doch, nur zulasten der Kontrolle der anderen Mindestlöhne? Dazu kann ich nur sagen: Das wäre unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vor allem ist es absolut unverständlich, dass die Einhaltung der Drehtürklausel nicht von der Zollbehörde, sondern von der Bundesagentur für Arbeit kontrolliert werden soll. Abgesehen davon, dass die BA dafür gar nicht ausgestattet ist, ist sie, milde ausgedrückt, nicht für effektive und umfassende Kontrollen bekannt. Im Gegenteil: Die Überprüfungsquote im Jahr 2008 lag gerade einmal bei 9 Prozent und 2009 sogar nur bei 8,5 Prozent der Verleihfirmen, und dies, obwohl sich die Zahl der Leiharbeitskräfte im gleichen Zeitraum nahezu verdoppelt hat. Jetzt soll die BA auch noch die Einhaltung der Drehtürklausel kontrollieren. Das kann ich nur als schlechten Treppenwitz bezeichnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Josip Juratovic (SPD) und des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE))

Letztes Jahr habe ich in einer Kleinen Anfrage nachgefragt, wie und nach welchen Kriterien die Bundesagentur für Arbeit Verleihfirmen prüft. Die Antwort war ernüchternd: Verleihfirmen mit unbefristeter Erlaubnis werden zwar kontrolliert, aber nur im Fünf-Jahres-Rhythmus. Da kann ich nur sagen: Eine bessere Einladung zum Missbrauch kann es überhaupt nicht geben.

Die Bundesagentur für Arbeit ist immerhin selbstkritisch und realistisch; denn in ihrer Stellungnahme zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz stand – ich zitiere auszugsweise –:

Mit Blick auf die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung vereinbarte Aufgabenkritik der BA könnte auch überlegt werden, die ordnungspolitische Aufgabe des AÜG … z. B. auf den Zoll zu übertragen und die BA damit weiter auf die Kernaufgabe Vermittlung zu fokussieren.

Das sind klare Worte, aber sie werden ignoriert. Es scheint so, als ob die Bundesregierung mit ihrer hochgelobten Drehtürklausel nicht ernst machen will. Wir meinen aber, dass Kontrollen in angemessener Zahl notwendig sind, und zwar durchgeführt von den Profis der Zollbehörde.

Ich kann also nur hoffen, dass die Regierungsfraktionen im Laufe des Verfahrens den Gesetzentwurf noch nachbessern werden. Wenn nicht, dann war die Empörung über den Missbrauch, beispielsweise bei Schlecker, vor allem heiße Luft. Eine solche Politik der Bundesregierung hilft niemandem, weder den Beschäftigten noch den seriösen Verleihfirmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)