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21.03.2014

Rede – Mindestlohn

Heute haben wir erneut über den Mindestlohn diskutiert. Es geht darum, dass der Mindestlohn endlich eingeführt wird und zwar für alle. Die unsägliche Diskussion über Ausnahmen muss ein Ende haben und der DGB hat das wunderbar auf den Punkt gebracht: „Würde kennt keine Ausnahmen“!

Vizepräsident Johannes Singhammer: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Linke schreibt am Anfang ihres Antrags: Ein gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland ist überfällig. Da haben Sie natürlich Recht.

(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak (DIE LINKE))

Die Forderung nach einem Mindestlohn in Höhe von 10 Euro kann ich zum jetzigen Zeitpunkt aber nur kritisieren. Selbst die Linksfraktion müsste doch merken, wie schwer es ist, in Deutschland überhaupt einen Mindestlohn durchzusetzen. Natürlich wissen auch wir, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro Altersarmut nicht verhindern kann. Natürlich muss der Mindestlohn deshalb in den nächsten Jahren zügig steigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Aber es war schon eine große Kraftanstrengung, dass sich fast alle gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland zumindest auf 8,50 Euro einigen konnten. Jetzt geht es darum, dass dieser Mindestlohn endlich kommt, und zwar für alle. In dieser Situation ist solch eine Diskussion nicht zielführend.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich in Ihrem Antrag beispielsweise einmal mit der Durchsetzung des Mindestlohns beschäftigt; denn das ist ein äußerst wichtiger Aspekt, auf den auch Arbeitsmarktexperten aufmerksam machen. Studien zeigen nämlich, dass viele Beschäftigte, die weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen, gar nicht nach Stundenlohn, sondern nach Stücklohn bezahlt werden. Viele haben keine fest vereinbarte Arbeitszeit. Das heißt, für mehr als ein Drittel dieser Beschäftigten fällt unbezahlte Mehrarbeit an. Hier gilt es also, Regelungen zu finden, die die Beschäftigten vor Missbrauch schützen. Es muss gewährleistet sein, dass der bezahlte Lohn auf Stundenbasis ermittelt und umgerechnet werden kann. Wenn eine Mindestlohnstunde zukünftig 90 Minuten dauern würde, dann wäre das katastrophal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Kerstin Griese (SPD))

Grundvoraussetzung dafür ist auch, dass ordentlich kontrolliert wird. Wie das tatsächlich sichergestellt werden soll, sehe ich noch nicht; denn die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die ja letztlich die Einhaltung des Mindestlohns kontrollieren soll, hat schon heute nicht genug Personal. Mehr Personal ist auch nicht geplant. Das hat die Bundesregierung im Finanzausschuss nochmals bestätigt. Hier ist also die Ministerin gefragt. Sie muss zügig schlüssige Regelungen für den Nachweis der Arbeitszeit schaffen und für ausreichend Kontrollpersonal sorgen. Ein Mindestlohn nur auf dem Papier wäre nicht akzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eine klare politische Linie wünsche ich mir, wie die Linke, auch bei der Diskussion um die Ausnahmen. Ich fand es schon absurd, welche Ausnahmen in letzter Zeit immer wieder diskutiert wurden, beispielsweise bei Minijobs oder bei Rentnerinnen und Rentnern. Ganz aktuell sind dem Arbeitgeberpräsidenten Kramer auch noch Ältere ohne Ausbildung eingefallen. Ist ihre Arbeit weniger wert? Sind sie weniger produktiv? Oder sind sie gar Beschäftigte zweiter Klasse? Minijobs sind doch heute schon eine Niedriglohnfalle. Rentnerinnen und Rentner arbeiten doch vor allem, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht. All diejenigen, die solche Ideen verbreiten, kann ich nur fragen: In welcher Welt leben Sie eigentlich?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE))

Die Ministerin muss jetzt beim Mindestlohn klare Kante zeigen. Ausnahmen führen zu Fehlanreizen und Verdrängungseffekten. Warum sollte ein Arbeitgeber einen Mindestlohn zahlen, wenn es billigere Arbeitskräfte gibt? Ein solcher Billigmindestlohn wäre auch völlig sinnwidrig; denn ein Mindestlohn ist laut Definition die niedrigste gesetzlich erlaubte Entlohnung. Darunter gibt es nichts. Nehmen Sie, die Union, das endlich zur Kenntnis!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt viele, die sich mit dem Mindestlohn noch immer unendlich schwertun. Sie übersehen dabei schlichtweg die positiven Aspekte:

Erstens. Tarifflucht, OT-Mitgliedschaften, Befristungen, Leiharbeit und auch Werkverträge – alles zusammen hat die Gewerkschaften geschwächt. Der Mindestlohn wird die Tarifpartner und somit auch die Tarifautonomie von unten stärken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gabriele Hiller-Ohm (SPD))

Zweitens. Notwendig ist der Mindestlohn auch für die verantwortungsvollen Betriebe, die ihre Beschäftigten fair und auf Augenhöhe behandeln. Sie wollen beim Wettbewerb um die niedrigsten Löhne nicht mitspielen. Sie brauchen Schutz, damit sie nicht vom Markt gedrängt werden. Der Mindestlohn macht also auch wirtschaftspolitisch Sinn.

Drittens. Vor allem aber profitieren die Menschen von dem Mindestlohn. Damit können sie – zumindest die meisten Alleinstehenden – von ihrer Arbeit leben. Sie müssen nicht zum Jobcenter laufen und ihren Lohn, den sie verdient haben, mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken.
Es geht auch um den Wert von Arbeit. Aber dazu muss der gesetzliche Mindestlohn wirklich flächendeckend eingeführt werden. Der DGB hat das wunderbar auf den Punkt gebracht: Würde kennt keine Ausnahmen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

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