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25.03.2015

Rede: Tarifkonflikt bei der Deutschen Post AG durch Ausgliederung

In der Aktuellen Stunde haben wir heute über die Vorkommnisse bei der Deutschen Post AG diskutiert. Dort werden 14.000 Stellen in 49 Regionalgesellschaften ausgegliedert. Das ist Tarifflucht – von einem guten in einen schlechteren Tarifvertrag. Das kann ich nur kritisieren!

Vizepräsident Peter Hintze: Die nächste Rednerin ist die Kollegin Beate Müller-Gemmeke von Bündnis 90/Die Grünen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Post steht gut da, sie macht satte Gewinne. Von einer Krise und von Existenznöten kann also keine Rede sein. Und doch wird jetzt umstrukturiert, von langer Hand geplant und mithilfe von externen Beratern. Ein gesundes Unternehmen wird zerlegt, und zwar zulasten der Beschäftigten. Die Aktionäre aber bekommen mehr Geld. Was da gerade bei der Post passiert, ist unanständig; anders kann ich das nicht bezeichnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Seit Jahren machen die Gewerkschaften Zugeständnisse. Bereits 2001 gab es ein neues Entgeltsystem; das war eine Zäsur. Danach wurde sogar eine zusätzliche Gruppe 0 eingeführt; das Eingangsgehalt wurde also noch einmal abgesenkt. Der alte Posttarifvertrag ist schon lange Vergangenheit, und doch gründet die Post jetzt diese 49 Regionalgesellschaften. Die Paketzustellung mit 14 000 Stellen wird ausgelagert. Dort gilt jetzt nicht mehr der Posttarifvertrag. Das gehört jetzt zur Logistikbranche.

(Tobias Zech (CDU/CSU): Auch ein Tarifvertrag!)

In manchen Fällen bedeutet dies bis zu 30 Prozent weniger Lohn.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat das denn ausgehandelt?)

Das ist ein klarer Fall von Tarifflucht, Herr Kollege, und zwar von einem guten in einen schlechteren Tarifvertrag. Das ist nicht akzeptabel. Wertschätzung von Beschäftigten sieht anders aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Post senkt aber nicht nur die Löhne; es gibt auch die Flucht aus der Mitbestimmung. In allen 49 Regionalgesellschaften müssen jetzt neue Betriebsräte aufgebaut werden. Neue Beschäftigte ohne jegliche Erfahrungen müssen an diese wichtige Aufgabe herangeführt werden. Ohne Freistellung müssen sie geschult werden. Sie müssen sich einarbeiten, und das kostet viel Engagement, Kraft und Zeit. Auch mit Blick auf die Mitbestimmung ist das Verhalten der Post nicht akzeptabel.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Skandal geht noch weiter. Die Post hat mittlerweile Tausende von Beschäftigten nur noch befristet angestellt. Wenn ihr Arbeitsvertrag ausläuft, haben sie jetzt die Wahl: Sie können, so die Unternehmensleitung, freiwillig in die neuen Regionalgesellschaften wechseln. Im Klartext heißt das: entweder einen Job für weniger Geld annehmen oder arbeitslos sein. Diese Menschen haben keine echte Wahl. Das kann ich nur als zynisch bezeichnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN Tobias Zech (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht!)

Das Vorgehen der Post ist ein Beispiel dafür, wie Anstand verloren geht, und wie die Tariflandschaft zunehmend zerfällt. Aber die Post ist natürlich kein Einzelfall. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung, die letzte Woche veröffentlicht wurde, hat deutlich gezeigt, dass die Lohnungleichheit in Deutschland immer weiter zunimmt. Laut Bertelsmann Stiftung ist der Grund dafür, dass sich immer mehr Arbeitgeber aus der Tarifbindung verabschieden und so den Konsens der Sozialpartnerschaft aufkündigen.

(Tobias Zech (CDU/CSU): Die Post bleibt aber im Tarif! Thema verfehlt!)

Das drückt insbesondere die niedrigen Löhne, wie das Beispiel Post gerade eindrücklich zeigt. Das spaltet die Gesellschaft. Wenn viele immer weniger Geld bekommen und die Menschen mit hohen Einkommen immer mehr bekommen, dann ist das auch nicht gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, ich hoffe, dass Sie aus den Vorgängen bei der Post Konsequenzen ziehen.

Erstens. Ich komme nicht darum herum, das Thema „gesetzliche Tarifeinheit“ anzusprechen. Die Ministerin behauptet ja, die Spartengewerkschaften legen die Axt an die Wurzeln der Tarifautonomie; die Arbeitgeber sagen das Gleiche. Nein, nicht die Tarifpluralität die Post hat ja zwei Gewerkschaften , sondern Arbeitgeber wie die Post zersplittern die Tariflandschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Lassen Sie das also mit der verfassungswidrigen gesetzlichen Tarifeinheit, und überlegen Sie sich lieber echte Maßnahmen gegen Tarifflucht zum Schutz der Beschäftigten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Zweitens. Tun Sie endlich etwas gegen die unsäglichen jahrelangen Kettenverträge, und schaffen Sie endlich die sachgrundlose Befristung ab!

Drittens. Die Bundesregierung muss bei der Post schon gewaltig auf den Tisch hauen. Immerhin ist der Bund mit knapp 25 Prozent an der Post beteiligt. Sie muss diese unanständige Geschäftspolitik stoppen, sonst wird die Post von dieser Unternehmensleitung noch ganz zerschlagen. Hier geht es um Solidarität und gesellschaftliche Verantwortung.

(Albert Stegemann (CDU/CSU): Es geht um Tarifautonomie! Hat das jemand begriffen?)

Wenn die Bundesregierung hier tatenlos bleibt, dann verliert Politik an Glaubwürdigkeit.
Zum Schluss: Jetzt gibt es bei der Post garantiert einen heftigen Streik, und zwar zu Recht. Ich wünsche den Streikenden und den Gewerkschaften schon heute viel Kraft und einen langen Atem.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN Tobias Zech (CDU/CSU): Da sollten wir uns aber nicht einmischen beim Streik!)

 

Rede: Tarifkonflikt Deutsche Post