Inhalt

23.09.2013

Ver.di streikt im Einzelhandel

Es stehen neue Verhandlungen im Einzelhandel an und deshalb hat ver.di zu einem Streik und zu einer Kundgebung aufgerufen. Lautstark waren die KollegInnen von ver.di als sie durch Reutlingen gezogen sind und das zu Recht. Bei der Kundgebung habe ich ihnen meine Solidarität für ihren Kampf ausgesprochen, denn es geht um faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen.

Der Einzelhandel hat die Tarifverträge gekündigt. Und jetzt werden Lohnerhöhungen von massiven Verschlechterungen im Manteltarifvertrag abhängig gemacht. Das ist nicht fair – aus meiner Sicht ist das unanständig. Diese Woche gehen die Verhandlungen weiter und es ist richtig und wichtig,
dass die Beschäftigten für ihre Interessen kämpfen, auf die Straße gehen, dass sie dran bleiben und nicht locker lassen. Notwendig ist ein Tarifvertrag, der kein Rückschritt ist – sondern Verbesserungen bringen. Die Arbeitgeber müssen endlich ein Angebot vorlegen, das fair ist.

Die Lage im Einzelhandel ist mies. Anders kann man das nicht bezeichnen. 38% der bundesweit fast 3 Millionen Beschäftigten im Einzelhandel arbeiten inzwischen im Niedriglohnbereich. Das ist ein Skandal. Viele Arbeitgeber wechseln in Mitgliedschaften – ohne Tarifbindung. Edeka und Rewe gliedern Filialen aus – an selbstständige Kaufleute. Gleichzeitig gibt es immer mehr zweifelhafte Werkvertragskonstruktionen. In der Folge wird der Einzelhandel immer mehr zu einem Bereich ohne Betriebsräte. Vor allem funktioniert aber das wichtige Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung nicht mehr – weil die Tarifbindung zu niedrig ist. Durch die unterschiedlichen Formen von Tarifflucht wird der Jahrzehnte alte gesellschaftliche Konsens der Sozialpartnerschaft aufgekündigt. Damit verabschieden sich die Arbeitgeber von ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Und das ist nicht akzeptabel.

Unsäglich ist insbesondere auch der Trend hin zu Schein-Werkverträgen. Gerade der Einzelhandel leidet darunter besonders stark. Mit diesen Werkverträgen werden Tätigkeiten ausgelagert, die originär den Einzelhandel ausmachen. In der Folge zersplittern die Belegschaften – dieser Trend muss gestoppt werden. Der unterste tarifliche Lohn liegt im Einzelhandel bei rund 12 Euro. Für die gleiche Arbeit per Werkvertrag gibt es aber nur noch 6,50 Euro. Das geht gar nicht. Hier geht der Anstand verloren. Für mich hört die unternehmerische Freiheit bei Lohndumping auf.

Ich habe für rot-grün bei der Bundestagswahl gekämpft. Das haben wir aber nicht geschafft. Und jetzt ist die Lage noch nicht überschaubar nach der Bundestagswahl. Die überstarke CDU/CSU braucht nun einen Koalitionspartner. Die Diskussionen bei uns Grünen, aber auch in der SPD – werden schwierig. Aber ich hoffe, dass – egal welche Koalition – die Beschäftigten mehr in den Mittelpunkt stellt. Denn der Kampf für gute Arbeitsbedingungen ist nicht allein die Sache der Gewerkschaften und schon gar nicht die Privatsache der Beschäftigten. Auch die Politik trägt hier Verantwortung. Und deshalb werde ich – egal was kommt – heftig für bessere soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt kämpfen.

Für die Beschäftigten aber geht es jetzt erst einmal um Lohnerhöhungen. Sie müssen deshalb lautstark Druck machen – auf der Straße und in den Verhandlungen. Meine Anerkennung und Wertschätzung haben sie und ebenso meine volle Solidarität. Denn sie machen tagtäglich einen engagierten und guten Job. Sie haben also gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen mehr als verdient! Ich wünsche den Beschäftigten im Einzelhandel viel Kraft und Ausdauer und einen langen Atem – bei den Verhandlungen und bei den Streiks. Und ich wünsche vor allem viel Erfolg.