Ukraine #8: Der Krieg und seine Folgen – schmerzhaft, spürbar, tiefgreifend
Ich war zum 4. Mal in der Ukraine – in der Region Odessa und Mykolajiw – mit der Hilfsorganisation „Ermstal hilft“. Der Beitrag heute passt, denn der 8. Mai steht für das Ende von Krieg, Gewalt, Diktatur, Nationalsozialismus – und für die Hoffnung auf Frieden und Freiheit. Heute erleben wir in der Ukraine erneut, wie diese Werte brutal angegriffen werden. Die Menschen dort kämpfen – wie damals viele in Europa – um ihre Freiheit, ihre Demokratie und ihr Recht, in Frieden zu leben. Das macht unsere Solidarität mit ihnen umso dringlicher.
Der russische Angriffskrieg reißt Lücken, zerstört Leben, traumatisiert. Wir haben mit Verletzten, aus der Gefangenschaft frei gekommene Soldaten und Angehörigen gesprochen. Die ständigen Angriffe zermürben – und doch kämpfen die Menschen weiter für Freiheit und Demokratie.
Die Zerstörungen, die der russische Angriffskrieg hinterlässt, sind offensichtlich: zerbombte Häuser, kaputte Infrastruktur, angegriffene Universitäten, verlassene Orte. Doch andere Wunden sind oft unsichtbar. Sie sitzen tief – in den Herzen der Menschen.
Wir haben Gedenkstätten besucht. In einer Gemeinde sind 52 Männer gefallen – drei davon waren gerade einmal 21 Jahre alt. Es war still dort. Und es war schwer zu ertragen. Überall in der Ukraine gibt es diese Orte – Orte des Schmerzes, des Verlusts und der Trauer.
Schwer war für mich auch der Besuch einer Reha-Klinik. Wir haben mit Männern gesprochen, die lange in russischer Gefangenschaft waren. Sie wurden gefoltert, gequält, gedemütigt. Einer der Männer wog bei seiner Freilassung nur noch 49 Kilo. Sie können nicht schlafen. Ihre Körper sind gezeichnet, aber die seelischen Narben wiegen noch schwerer. Es war kaum auszuhalten, ihre Geschichten zu hören – und doch ist es unsere Pflicht, genau hinzuhören.
Auch diejenigen, die nicht an der Front sind, leben mit der ständigen Bedrohung. Auch wir haben die ständigen Luftalarme erlebt und was es heißt, unter nächtlichem Beschuss zu stehen. Ich weiß jetzt, wie eine Drohne klingt. Und ich weiß, wie es sich anhört, wenn in unmittelbarer Nähe versucht wird, diese Drohnen abzuschießen. Die Menschen in der Ukraine versuchen, weiterzuleben – sie ignorieren die Alarme, weil sie sonst nicht überleben würden. Kinder lernen ganz selbstverständlich bei Alarm in Schutzräumen. Doch natürlich bleibt das alles nicht ohne Folgen. Die permanente Anspannung frisst sich in Körper und Seele.
Der Krieg raubt den Menschen ihre Kräfte – und ihre Zukunft. Viele Männer sind im Krieg, viele Familien auseinandergerissen. Es fehlen Menschen, die helfen könnten, das Land wieder aufzubauen. Jeder Cent fließt in den Krieg. Die wirtschaftlichen Folgen sind überall spürbar. Und trotzdem sagen die Menschen dort ganz klar: Aufgeben ist keine Option. Ein schlechter Deal, der ihre Freiheit opfert, ist keine Alternative.
Sie wollen leben. In Freiheit. In einer Demokratie. In ihrem Land.
Das ist der Grund, warum wir nicht nachlassen dürfen. Wir müssen die Ukraine weiter unterstützen – humanitär, beim Wiederaufbau, militärisch. Und wir müssen diplomatische Wege klug begleiten, ohne Illusionen, aber mit Entschlossenheit.