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25.07.2020

Albtour 2020 – Tag 3

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Der dritte Albtour-Tag begann tierisch. Zuerst statteten wir den Pferden in Marbach einen Besuch ab, erfuhren viel über das Gestüt in Zeiten von Corona und konnten auch mal einem Fohlen über den Kopf streichen. Schmusiger wurde es dann bei den Alpakas in Wasserstetten. Mittags gönnten wir uns eine Pause im Lagerhaus an der Lauter. Im Gomadinger Pfarrhaus von Johannes Streib erfuhren wir viel über engagierte Flüchtlingshilfe. Und zu guter Letzt ging es dann für einige von uns hoch hinaus – im Wald von Gomadingen trafen wir den Baumkletterer Bernd Strasser.

Auf der Marbacher Weide stehen die Fohlen breitbeinig auf ihren staksigen Beinen und fressen Gras. Ernst Hofrichter, in Marbach Leiter des Referats Organisation und Tourismus, zeigt uns die jungen Araber vom Haupt- und Landgestüt Marbach und erzählt. Denn diese Araber sind etwas Besonderes. Sie stammen in gerader Linie von den Pferden ab, die König Wilhelm einst aus dem Orient in sein Königliches Privatgestüt Weil holte. Es war das erste Gestüt mit einem Bestand an Reinzucht-Arabern außerhalb des Orients. 1932 wurde die Enkelin von Wilhelm I durch die Weltwirtschaftskrise gezwungen das Gestüt aufzugeben. Sie verschenkte die Araber ihres Großvaters an das Land Württemberg, und so kamen sie zum Gestüt Marbach – allerdings mit der strikten Auflage, die Zuchtlinie weiterzuführen. Und das geschieht auch.

Corona sorgte auch im Gestüt dafür, dass es für drei Monate für die Öffentlichkeit geschlossen war. 550 Pferde, davon rund 300 Pachttiere, galt es zu versorgen, sie zu reiten oder wenigstens einmal täglich auf die Weide zu lassen. Die Beschäftigten des Gestüts arbeiteten in zwei Schichten. Und die für März geplante öffentliche Verkaufsauktion musste im Internet stattfinden. Seit dem Ende des Lockdowns öffnet sich das Gestüt wieder für Reiter*innen und Publikum. Auf Rundgängen können Touristen die Fohlen und ihren Laufstall bewundern, wo sie jeden Mittag pünktlich zwischen zwölf und eins  ihr Mittagsstündchen halten. Sie können bullige Kaltblüter bestaunen, die als kräftige Arbeitstiere Kutschen ziehen oder Holz schleppen können. Und in der Remise stehen dann die dazugehörigen Kutschen der Fahrschule Marbach. Hofrichter zeigt uns seine Lieblinge im historischen Stallkomplex. Churchill etwa ist ein Württembergisches Warmblut und ein wahrer Riese. Er guckt scheel und legt die Ohren an.  Ich finde das eher bedrohlich. Doch Hofrichter öffnet die Stalltür, tritt zum Pferd und streicht über seinen Kopf. „Der wollte nur sagen, dass er gestreichelt werden will.“

Viel Muße zum Streicheln hatten wir dann bei Herbert Ruch in Wasserstetten. Seine Alpakas haben in diesem Jahr fünf Junge bekommen – und vier Bäuche sind noch dick. Die Jungen springen und toben zusammen über die Weide, stubsen ihre Mütter oder trinken ausgiebig. Im Lockdown waren  auch die Alpakas nicht mehr für die Öffentlichkeit da. Inzwischen hat das Leben wieder seinen normaleren Lauf genommen. Am Nachmittag kommen noch elf junge Frauen zum Junggesellinnenabschied vorbei und gehen mit den Alpakas spazieren. Gestern erst war eine Gruppe aus Maria Berg mit psychisch labilen Kindern da. Auch sie nutzen die therapeutische Wirkung der Spaziergänge mit den Alpakas. „Weil sie so ruhig sind“, sagt Ruch, „sind meine Tiere für viele Menschen in diesen stressigen Zeiten genau die richtige Therapie.“

Im Pfarrhaus in Gomadingen hängen Bilder des syrischen Künstlers Zakwan Khello. Sie zeigen Körper, die leiden, der Hals immer verwundbar und offen der Betrachterin zugewandt – gepeinigte und erschöpfte Körper. Der Künstler floh aus Syrien, nachdem sein Bruder gefoltert worden war. Für einige Zeit war er in Gomadingen. Jetzt lebt er in Leipzig bei seinem Bruder.

Pfarrer Johannes Streib und Belinda Kalender leisten von Gomadingen aus persönliche Hilfe der ganz anderen Art. Im Pfarrgarten erzählen beide von ihrer Hilfe, die sie für Flüchtlinge in den Lagern Europas organisieren. Begonnen hat das alles 2015 als die Flüchtlinge über die Bosnienroute nach Deutschland kamen – und auch Gomadingen viele Geflüchtete aufgenommen hat. Als die Grenzen für Flüchtlinge dann dichter wurden, fuhr Belinda Kalender nach Italien, wo Flüchtlinge in einem Tunnel hausten, nach Frankreich in den Dschungel von Calais und nach Athen, wo anerkannte Flüchtlinge  obdachlos in den Parks und auf den Straßen leben und nicht wissen, wie sie ihre Situation verändern können. Kalender organisierte Kleidung und brachte sie nach Athen, wo die Behörden sie inzwischen nicht mehr in die Flüchtlingscamps hereinlassen. Sie organisierte Mahlzeiten, für die Menschen, die in Parks und auf Plätzen leben, und es kamen nicht nur Flüchtlinge zu der Essensausgabe, sondern auch viele griechische Rentner*innen und andere Obdachlose. „Da geht es inzwischen ums nackte Überleben“, sagt Kalender. Corona ließ viele Helfer*innen in Griechenland stranden, denn plötzlich waren die Grenzen dicht. Im Land gab es zu der Zeit Ausgangssperren und die obdachlosen Flüchtlinge wurden während des Lockdowns nicht selten verhaftet. Kalender versuchte mithilfe ihres internationalen Netzwerks Wohnungen anzumieten, um wenigstens vorübergehend Unterkünfte zu schaffen. Heute schickt sie Geld, auch nach Bosnien, wo mehr und mehr Griechenlandflüchtlinge stranden. Und sie versteht nicht, wie es sein kann, dass sich alle Welt auf diese rein private Hilfe verlässt. „Das ist doch Sache der Regierungen und der EU!“

„Bäume sind Gedichte, die die Erde in den Himmel schreibt.“

Diese Worte von Kahlil Gibran zieren sein T-Shirt. Und sie scheinen auch das Motto von Bernd Strasser zu sein, denn Bäume sind sein Leben. Strasser ist Baumkletterer und Baumpfleger, und als solcher kümmert er sich um den Baumbestand in deutschen Wäldern, Parks oder auch Privatgärten. Und ganz nebenbei ist er auch noch Weltmeister der Baumkletterer. Zu seiner Arbeit gehört es, Baumkronen zu sichern, Blatt- und Nadelproben zu nehmen, Saatgut anerkannter Baumbestände zu sammeln oder Pflegeschnitte vorzunehmen. Und dafür klettert Strasser in der Regel gesichert am Seil.

Strasser pendelt eine Schnur, an der ein kleines Säckchen als Gewicht hängt, und schwingt es dann nahezu beiläufig hoch. Die Schnur landet gut 20 Meter höher in einer Buche und schlingt sich über einen Ast. So werden die Kletterseile in die Höhe gebracht. An denen klettert Strasser gesichert wie ein Wiesel hoch, um sich oben mit Schwung auch auf entferntere Äste zu bugsieren. Die Kinder in meinem heutigen Team versuchten es als erstes, es ihm nachzutun. Und sie sind geschickt. Sie klettern wie kleine Äffchen an den Seilen hoch. Dann wird es ernst. Ich klettere erst einmal in einen Klettergurt, der um meinen Bauch geschnallt wird. Dann werde ich am Seil per Karabiner eingehakt, das Seil wird straff gezogen, und ich habe zwei Schlaufen, mit denen ich mich in die Höhe bugsieren kann. In eine kommt der Fuß, möglichst weit oben, und dann heißt es, das Bein zu strecken und gleichzeitig die andere Schlaufe am Seil nach oben zu schieben. Fast wie ein Flaschenzug ziehe ich mich Stück für Stück in die Luft, ziehe mich Zentimeter für Zentimeter höher. Es ist anstrengend. Ich hänge auf Halbmast im Baum. „Mit etwas Hüftschwung kriegst du das noch hin“, meint Strasser zu mir, geht davon und lässt mich klettern. Später versuchen sich auch noch andere meines Teams, doch wirklich leicht fällt es nur den Kindern und Christian, dem Sportler. Wir haben es tatsächlich einige Meter nach oben geschafft. Vor allem aber war es lustig und hat viel Spaß gemacht.