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28.07.2020

Albtour 2020 - Tag 6

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Der 6. Albtour-Tag begann in Erpfingen bei der Firma Schweikardt Moden. Corona brachte Jürgen Schweikardt  dazu, wunderschöne hochwertige Masken aus Bio-Baumwollstrick zu entwickeln. Mittags pausierten wir im Biergarten des Feriendorfs Sonnenmatte. Anschließend ging es weiter nach Undingen zu einem der wenigen Äcker bundesweit, auf denen in Deutschland Safran angebaut wird. Und am späten Nachmittag besuchten wir noch die Hinterwälder Rinder auf ihrer lichten Waldweide zwischen Ödenwaldstetten und Ehestetten, wie sie für Landschaftsschutz und Artenvielfalt sorgen.

Eigentlich produzieren sie hochwertige Strickmode für jede Saison. Doch Corona warf den Betrieb der Familie Schweikardt aus der Bahn. Bestellungen wurden storniert. Die Modeproduktion stockte. Jürgen Schweikardt bekam Angst um seine Mitarbeiter*innen und die Firma. Dann hörte er, dass im gesamten Pflegesektor Masken fehlten. Und er reagierte schnell. In Windeseile wurde eine Maske entworfen und  der Prototyp gestrickt. Angebote wurden abgegeben. Und vom Lockdown war bei den Schweikardts nichts mehr zu spüren. Familie und Beschäftigte warfen die Strickmaschinen auch an den Wochenenden an. Ehemalige wurden aus ihrem Rentendasein geholt und bearbeiteten die Masken in Heimarbeit. Nur so schafften sie es, in knapp acht Wochen 130.000 Masken zu produzieren. Und die gehen heut noch gut. „Das war eine sehr solidarische Zeit“, sagt Schweikardt. Heute kann er nur auf Sicht fahren, denn was in den nächsten Wochen und Monaten kommt, weiß niemand.

Unsere Mittagspause verbrachten wir im Biergarten Sonnenmatte, direkt neben dem gleichnamigen Feriendorf. Wer noch kein Ferienquartier in diesem Sommer gefunden hat, findet hier noch eine gemütliche Unterkunft für die ganze Familie. Die nächsten zwei Wochen sind zwar ausgebucht, doch die Wochen danach bisher erst zu 60 Prozent. Wer die Schwäbische Alb ursprünglich und inmitten von Natur erleben will, muss daher nur nach Sonnenbühl kommen und sich eines der kleinen Häuser im Feriendorf Sonnenmatte mieten.

Kurz hinter der Ortsgrenze von Undingen liegt ein kleiner Acker der besonderen Art. Hier pflanzen und ernten Susanne Eißler und Frank Bahnmüller ihren Albsafran. Die kleinen Zwiebeln der Safrankrokusse können genau wie die Zwiebeln der Herbstzeitlosen im Sommer gesetzt werden und blühen dann den ganzen Oktober. Und das tun sie gern in hohen Lagen, denn ursprünglich kommt die Pflanze aus Asien, vermutlich sogar aus der Himalaya Region. Auf der Schwäbischen Alb gedeiht er vorzüglich. Im Oktober machen Eißler und Bahnmüller kaum etwas anderes, als Blüten zu ernten. Am Abend sitzt dann die gesamte Familie um den Tisch und alle zuzeln die drei kleinen roten Safranfäden aus der Blüte. 200.000 Blüten braucht es für ein Kilo Safran. Bahnmüller erntete letztes Jahr 500 Gramm auf seinen zwei Äckern. 0,1 Gramm davon kosten bei ihm im Internet sieben Euro. Das reicht zum Beispiel für zehn schöne Safranrisotto. Safran ist damit das teuerste Gewürz der Welt. Und weil das so ist, gibt es auch viele Fälschungen. Dann werden Chilifäden als Safran ausgegeben oder noch häufiger Fädchen aus Färberdistelblüten. „Wenn eine kleine Menge Safran nur zwei Euro kostet, sollte man misstrauisch werden“, sagt Eißler.  Sie empfiehlt echten roten Safran von der Alb.

Zwischen Ödenwaldstetten und Ehestetten leben Hinterwälder im Wald. Die 17 Rinder halten einen Kiefern-Fichtenwald „licht“ – und schaffen so einen Lebensraum, der auf der Alb und im ganzen Land kaum noch vorkommt. Denn der lichte Wald ist Vielfalt. Er bietet Platz für Büsche, Bäume, Gräser und Disteln, aber auch für Totholz und in ihm lebt und krabbelt es weitaus artenreicher als anderswo. Jochen Zeller, der Bürgermeister von Hohenstein, hält große Stücke auf die Waldweide. Immerhin erhielt seine Gemeinde als Grundbesitzer für die Fläche Ökopunkte, und Sven Wahl und Kai Rau, die beiden Landwirte, die ihre Hinterwälder Rinder dort grasen lassen, bekamen eine entsprechende Förderung. Nur  0,6 Prozent aller Waldflächen in Baden-Württemberg sind lichte Wälder, erklärt Karin Rosenstock vom Naturschutz im Landratsamt. Und Niels Drobny Forstbezirksleiter im Kreisforstamt Reutlingen ergänzt, eine Waldweide sorge weit eher für Vielfalt und Biodiversität als jede Flächenstilllegung, wo die Natur sich selbst überlassen bleibt. Denn dann verwalden Flächen schnell komplett und bleiben monoton und einheitlich. Die Mischung fehlt. Im lichten Wald ist das anders, denn da gibt es die Gemeine Heckenkirsche und die lockt sogar den „Blauschwarzen Eisvogel“, einen seltenen Schmetterling auf die Schwäbische Alb. Und auch die Hinterwälder Rinder sind eher selten – sie sind vom Aussterben bedroht. Als wir sie im lichten Wald finden, kommen sie, angelockt von Futter, vorsichtig näher. Jochen, der Bulle, hält sich lieber im Hintergrund. Er versteckt sich hinter seinen sieben Frauen und den neun Kälbern. Zum Kalben trennen sich die werdenden Mütter von der Herde und gehen allein in den Wald. Mit dem Kälbchen kehren sie dann nach ein zwei Tagen zurück zu ihrer Herde. Jochen wacht anschließend über seinen Nachwuchs. Als ein größeres Kalb das zwei Wochen alte Jüngste piesackt, geht er dazwischen und schubst den Störenfried resolut zur Seite.

Am Abend in der Rose werden wir mit einer erlesenen Brotzeit bewirtet. Simon und Daniel Tress nehmen sich für uns an diesem Abend Zeit. Es wird spät bei guten Gesprächen.