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29.07.2020

Albtour 2020 - Tag 7

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Tag sieben meiner Tour de Alb war zu Beginn echte kleinbäuerliche Landwirtschaft. Und die fanden wir bei Pia Münch und ihrem Sohn Lukas in Hochberg oberhalb von Zwiefalten. Von dort aus statteten wir der Wimsener Mühle und ihrem Chef Daniel Tress einen Besuch ab. Nach gutem Essen ging es weiter zum Seifenreich in Hayingen. Zurück in der Rose führte uns Simon Tress durch sein Reich und erzählte vom „1950“ der nahen Zukunft. Und zu guter Letzt fand in der Rose unser „Fachgespräch Landwirtschaft“ statt.

25 Kühe haben die Münchs. Die geben Milch, haben Nachwuchs und stehen die meiste Zeit im Stall. Auch dort geht es ihnen gut, doch Sohn Lukas, der seit letztem Jahr Teilhaber ist, findet, es könnte ihnen besser gehen. Er möchte gerne einen Kompoststall bauen. In solch einem Stall wird die Liegefläche dick mit Sägespänen eingestreut – das wird dann die Kompostmatratze, denn diese Fläche aus Kot, Harn und Sägespänen verrottet durch Mikroorganismen völlig geruchneutral. Den Tieren würde das gefallen. Sie könnten sich frei ablegen und sich in neuer Umgebung wohlfühlen. „Außerdem hat man keine flüssige Gülle mehr, sondern nur Kompost“, sagt Lukas Münch.

Pia Münch ist engagierte Landfrau. Im Herbst bieten die Landfrauen zusammen mit der Kontaktstelle Frau und Beruf Neckar-Alb in Münsingen wieder ein Coaching für Frauen im ländlichen Raum an, die sich beruflich umorientieren wollen. Ein anderes Herzensprojekt von Pia Münch ist die „Aktion Löwenmutter“. Hier unterstützen die Landfrauen Kinder von krebskranken Müttern. Ein tolles Projekt, das ich nur weiterempfehlen kann.

Mittags begann dann unser Tress-Familientag. Wir trafen Daniel Tress, der uns die letzten Abende im Hotel Rose schon aufs angenehmste umsorgt hatte, in seiner Wimsener Mühle. Die Salat-Bowl war ein Gedicht. Obwohl ja eigentlich die „Pommes mit Schnitzel“ das beste Gericht ist – so meinte jedenfalls Tress Junior.

Der Familientag wurde noch einmal unterbrochen von einem Abstecher nach Hayingen, wo wir ins Seifenreich eintauchten. In der kleinen Manufaktur von Michaela und Volker Last riecht es nach erlesenen Bio-Pflanzenölen, Kräutern und natürlichen Essenzen. Aus all diesen hochwertig kontrollierten Rohstoffen und Laugen fertigt Michaela Last in großen Töpfen kaltgerührte Naturseifen an. 225 Stück produziert sie so am Tag. Die so zusammengerührte puddingartige Masse wird in Formen geschüttet, stockt dort zu einer Seifenstange und die lagert eine Zeitlang im Trockenraum, bevor sie in Seifenstücke geschnitten wird. Da gibt es Hanfölseife oder Duschbutter, Haarseife Rosmarin oder Bartseife für den gepflegten Vollbart. Für den Verkauf ist Volker Last zuständig, er hat Informatik mit dem Schwerpunkt Grafik studiert und kümmert sich um den Vertrieb der Seifenprodukte im Internet. Zur Seife kam Michaela Last eher per Zufall. Denn einmal hatte sie Lust, Seifen zu Weihnachten zu verschenken. Als Biochemikerin holte sie Kittel und Laborbrille hervor, und rührte die selbst an. Das machte so viel Spaß, dass sie ihr Hobby zum Beruf machte.

Die vier Tress-Brüder, wie sie ihre Suppenmarke heute nennen, nannten sich auch mal die „Küchen-Brüder“. Dieser Name prangt noch auf der Eingangstür zur Suppenmanufaktur, die uns Christian Tress zeigte. Seit 2009 produziert sein Bruder Dominique hier das Pendant zur profanen Tütensuppe, nämlich frische Bio-Suppen für das Frischeregal im Supermarkt. Wir stülpen uns Plastik auf Kopf, Füße und um den Leib, desinfizieren die Hände, und erst dann durften wir das Suppenreich betreten. Es riecht intensiv nach Pilzen – und in der Abfüllanlage wird tatsächlich gerade Waldpilzsuppe automatisch in passende Pappbecher gefüllt und dann vakuumverschweißt. 100.000 Suppenbecher werden hier im Winter pro Woche produziert. Im Moment sind es 60.000. Verkauft werden die inzwischen bundesweit bei Edeka, Rewe und Kaufland im Frischeregal oder bei Allnatura und Denn‘s.

Nach der Manufaktur übernimmt Simon Tress die Führung und zeigt uns „1950“. Das ist ein Restaurant direkt hinter dem Tress-Hotel Rose, das am kommenden Wochenende eröffnet wird. Und dieses „1950“ hat es im Jahr 2020 in sich: Frontcooking, eine verglaste Speisekammer, kein extra Service, nur zwölf Sitzplätze und vor allem ein fünfgängiges vegetarisches Menü, das den Gästen beim Essen mithilfe von Kärtchen erzählt, wie  wenig CO2 sie mit ihrem Mahl aus demeter-biologischen Zutaten der nahen Region verbrauchen. Dazu kann optional bis zu dreimal Fleisch als Beilage bestellt werden. Zitronen gibt es bei dieser Kochkunst nicht mehr – die sind kaum regional zu haben. Stattdessen nutzt Simon Tress zitronensaures Kraut aus seinem Kräutergarten. Und wer am Ende des ersten deutschlandweiten Demeter & Bioland Fine-Dining-Menüs wissen möchte, wie das gekocht wird, bekommt von Tress auch noch das Rezept in die Hand gedrückt. Wir wünschen viel Erfolg mit dem tollen neuen Konzept und ein ganz neues Restauranterlebnis!

Am Abend hatte ich noch zum Fachgespräch Landwirtschaft in den Kräutergarten der Tress-Brüder eingeladen. Der agrarpolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion in Stuttgart, Martin Hahn, unterstützte mich dabei mit inhaltlicher Expertise. Im Mittelpunkt unserer Diskussion stand die Zukunft der Landwirtschaft. Denn, das fragte Gebhard Aierstock, Vorsitzender vom Kreisbauernverband Reutlingen die Runde, was sind zukunftsfähige Betriebe? Und welche Größe haben diese Betriebe? Wirklich zukunftsfähig ist ein Bauer jedenfalls nicht, wenn die Bio-Milchpreise von Discountern wie Lidl gedrückt werden können, wie es Frank Siefert mit seiner Milch erlebt. Und das Gleiche erlebte ein anderer Bauer mit seinem Bio-Dinkel. Der wollte und wollte sich nicht verkaufen – denn Dinkel ist gerade nicht so gefragt. Doch dann kam Corona – und alle Welt hamsterte Mehl. Da war plötzlich im März auch der Bio-Dinkel sehr gefragt. Martin Hahn betont, dass wir in einer Welt leben, „in der die Märkte zählen.“ Anreize für Bio will er nicht setzen. Das macht der Markt. Und da sieht er auch für die Landwirtschaft Chancen bei der digitalen Vermarktung. Aierstock ergänzt, „wenn man Bio wirklich will, dann muss es auch in die Kantinen kommen.“ Immerhin essen viele Menschen da häufig die einzige warme Mahlzeit ihres Tages. Um Märkte für die Verbraucher*innen transparenter zu machen, um ihnen zu zeigen, was sie kaufen und wofür sie mehr Geld ausgeben könnten, wenn ihnen an gutem Essen und dem Wohl der Tiere liegt, sollte sowohl die  Tier-Haltungskennzeichnung endlich eingeführt werden, als auch die Kennzeichnung, was Produkte enthalten und wo sie herkommen. Da waren sich alle Landwirte am heutigen Abend einig. Und Pia Münch zog das Fazit: „Wenn Verbraucher nicht bereit sind, etwa 30 Prozent ihres Verdiensts für Lebensmittel auszugeben, dann wird das mit echtem Tierwohl und gutem Naturschutz einfach nichts.“