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30.07.2021

Albtour 2021 – Tag 9

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Der 9. Tag war dem Handwerk gewidmet – und passend kam Martin Grath, grüner Landtagsabgeordneter und handwerkspolitischer Sprecher mit uns mit. Wir starteten in Hayingen bei Hafnermeister Norbert Arnold. Vier Kilometer weiter besuchten wir die Firma Stiehle. Von dort ging es zum Lorettohof bei Zwiefalten, wo wir auf einen Imbiss einkehrten. Danach traf ich mich mit Heiner Beck und „auf ein Wort“ mit Bürger:innen in Zwiefalten auf der Hauptstraße. Dort vertrieb uns später ein starkes Gewitter. Den Abend verbrachten wir dann im Adler in Meidelstetten.

Die Alb ist unberechenbar. Bei schönstem Sonnenschein und Wärme radelten wir zusammen mit Martin Grath, dem Bäckermeister und handwerkspolitischen Sprecher unserer grünen Landtagsfraktion in Stuttgart, seiner Mitarbeiterin Clara Resch und Cindy Holmberg, der neuen Landtagsabgeordneten für den Wahlkreis Hechingen-Münsingen am Vormittag nach Hayingen, um den Ofenbauern, der Familie Arnold einen Besuch abzustatten. Gleich im Eingangsbereich des großen Ladengeschäfts entdeckte Martin Grath das Raumschiff Enterprise – einen großen Kamin, der durchaus auch ein Ufo sein könnte. Norbert und Hildegard Arnold und Sohn Simon haben beim Kaminbau schon früh auf regenerative Energien gesetzt. Geheizt werden ihre Kamine mit Holz und Pellets. Und dabei wird in der Regel Restholz verwandt, das in der Holzindustrie keine Verwertung findet. Gleichzeitig steht das Feuer natürlich für Faszination, Leben und eine besondere Atmosphäre. Die Arnolds sind schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Hayingen und bauen Öfen und Kamine. Alle Kamine sind höchst energieeffizient und haben niedrige Emissionen. Auch der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Reutlingen, Ewald Heinzelmann, der uns zu den Arnolds begleitet, weiß das. Er hat nur Sorgen, dass die Jungen dem Handwerk mehr und mehr verloren gehen. Wer ausgelernt hat, wechselt in unserer Region oft schnell zu lukrativeren Jobs bei Daimler oder Bosch. Umso wichtiger ist es, dass Geflüchtete, die eine Ausbildung im Handwerk absolviert haben oder dort arbeiten, nicht mehr abgeschoben werden. Außerdem braucht das Handwerk einfach einen Imagewandel.

Wie der aussehen kann, demonstrieren uns Fritz und Susanne Stiehle. Die Bankkauffrau und der Schreinermeister haben ihre ursprüngliche Schreinerei nach und nach erweitert. Erst bauten sie Küchen, dann kam der Badausbau hinzu und inzwischen widmet sich die Firma Stiehle vorwiegend der Energiegewinnung durch Photovoltaik. Damit wird bei Stiehles nicht nur Strom produziert, nein, die Kund:innen werden durch die Solarenergie autark. Denn der Strom kann in Warmwasser umgewandelt und so gespeichert werden. Auf diese Weise versorgt der Solarstrom das Haus auch mit Heizung und Warmwasser. 40 Mitarbeiter:innen hat der Handwerksbetrieb heute, darunter auch zwei Lehrlinge. Die Entwicklung von Sunbrain – einem Steuerungselement, das die drei Elemente Strom, Wasser und Heizung zusammenführt und den Stromverbrauch aus den Solarzellen steuert – hat den Stiehles 2018 den „Bundespreis für hervorragende innovatorische Leistungen für das Handwerk“ eingebracht. Sunbrain verteilt den Strom morgens erst zum Kaffeekochen, dann zur Dusche, zum Toaster und anschließend lädt der Solarstrom vom Dach noch das E-Auto auf. Das ist das neuste Baby der Stiehles: die Wallbox zum Laden von E-Autos, die von Solarzellen ihren Strom bezieht. Ein Prototyp hängt schon an der Hauswand. Ab November soll er ausgeliefert werden. Fritz Stiehle ist ein Überzeugungstäter. Er meint, was gibt es Schöneres, als mit der eigenen Arbeit Umwelt und Natur zu schützen. Da wird einfach sehr deutlich, ohne das Handwerk bekommen wir die Energiewende und den Klimaschutz nicht gestemmt.

Günther Weber lebt seit 23 Jahren auf dem Loretto-Hof. Völlig abgeschieden oberhalb von Zwiefalten hat er hier jahrelang Bäckerei und Hofladen betrieben. Die direkten Nachbarn haben Ziegen und produzieren eigenen Käse. Inzwischen hat sich Weber fast zur Ruhe gesetzt und Stefan Mai und seine Frau Svetlana aus Rheinland-Pfalz haben die Bäckerei übernommen. Doch ganz zur Ruhe kommt der Bäcker nicht, er hilft immer noch gerne aus, wenn Not am Mann ist. Stolz zeigt er uns den alten Holzofen, in dessen Backraum erst mit Holzscheiten ein Feuer entfacht wird, das ausbrennt. Danach wird die glühend heiße Asche grob in den Aschekasten gefegt. Und danach „tut man hudle“, sagt Weber und meint, er wischt die Asche mit einem an einer Stange befestigten Lumpen aus dem Ofen. Anschließend backen er und Mai ihre Brote in diesem Holzofen. Und die werden am Wochenende in Biberach und Tübingen auf dem Markt verkauft. In Bottichen wird gerade Sauerteig für den nächsten Tag angesetzt. Als wir die Backstube verlassen, ist es draußen in der heißen Mittagssonne richtiggehend kühl. Unterm Baum im Schatten sitzt Bäcker Martin Grath mit den beiden Bäckern vom Loretta und fachsimpelt.

Und diese Bäckergespräche setzen sich auch in Zwiefalten fort. Denn dort können die Menschen „auf ein Wort“ auf der Hauptstraße vorbeikommen und mich treffen. Besuch bekommen wir gleich zu Beginn von Heiner Beck – dem BeckaBeck von der Alb. Und schon hat Martin wieder einen vertrauten Gesprächspartner. Ein paar Zwiefaltener:innen kommen auf einen Schwatz vorbei. Und irgendwann wird es immer dunkler und dunkler. Ein ordentlicher Gewitterschauer kündigt sich an. Wir packen schnell Schirm und Stühle zusammen, organisieren in Windeseile, dass der Fahrradverleiher Peter Tress aus Gomadingen unsere Räder mit seinem Transporter abholt und auch noch einige Radler mitnimmt. Und dann gibt es da noch Bäcker Beck, der vier von uns kurzentschlossen in seinem Wagen durch strömenden Gewitterregen  zurück nach Ödenwaldstetten fährt.

Am Abend besuchen wir dann den Gasthof Adler in Meidelstetten und lassen es uns kulinarisch gut gehen. Einige Interessierten aus der Umgebung sind auch da und Cindy Holmberg, die Landtagsabgeordnete der Region, und ich tauschen uns mit ihnen aus. Der Gasthof Adler ist so etwas wie ein Stück Heimat für mich. Immerhin haben wir uns schon in den 80er Jahren nach Demos hier getroffen. Es ist immer wieder schön, hier zu sein.

Tourplan 2021