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27.07.2022

Albtour 2022 – Tag 7

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Der siebte Tag meiner Albtour begann in der Zimmerei von Andreas Pichlmaier in Ehestetten. Von dort ging es weiter zum Hofgut Maisenburg und dem neuen Naturhotel „Die Maise“. Dort trafen wir auch die neue Bürgermeisterin von Hayingen, Ulrike Holzbrecher. Nach einer gemeinsamen Mittagspause in Indelhausen ging es weiter zur Gedenkstätte Grafeneck. Und am Abend habe ich mich im Hotel Herrmann in Münsingen mit Mitgliedern grüner Alb-Ortsverbände ausgetauscht und zufällig Winfried Kretschmann getroffen.

Leben mit Holz heißt die Schreinerei von Andreas Pichlmaier in Ehestetten. Gebaut werden hier Häuser aus Holz – vom klassischen Blockhaus bis hin zum Gewerbebau, gebaut werden aber auch Inneneinrichtungen, von der Badausstattung bis hin zu hölzernen Treppenhaus. Und das geschieht ressourcensparend, umweltschonend und energiesparend. Lebendig und einzigartig nennt Pichlmaier seinen Baustoff Holz. Und recht lebendig war auch unser Gespräch in seiner Werkstatt. Denn Pichlmaier weiß nicht mehr so genau, wie es weitergehen soll. Vor 18 Jahren hat er sich mit seiner Zimmerei selbstständig gemacht. Doch die Bedingungen im Handwerk haben sich seither rapide verschlechtert. Und gleichzeitig scheinen die bürokratischen Hürden, etwa bis eine Baugenehmigung endlich erteilt wird, enorm gestiegen zu sein. Gravierender aber ist vor allem der Fachkräftemangel. Junge gut ausgebildete Zimmerleute wechseln häufig lieber vom Handwerk zur Industrie, denn da gibt es Tariflöhne und geregelte Arbeitszeiten. Und seit Jahren sind Auszubildende per se rar gesät.

Fachkräfte und Arbeitskräfte kann sich niemand einfach schnitzen. Dafür sorgen schon die niedrigeren Geburtenraten bei uns. Doch gleichzeitig hat die Große Koalition in den vergangenen Jahren versäumt, hier die Weichen richtig zu stellen.  Natürlich brauchen Menschen gute Arbeitsbedingungen, um länger gesund und zufrieden arbeiten zu können. Natürlich brauchen wir die Frauen auf dem Arbeitsmarkt – und zwar nicht nur in Minijobs, sondern auf qualifizierten Arbeitsplätzen. Und natürlich muss endlich ein gutes Einwanderungsgesetz her, etwa nach kanadischem Vorbild, damit wir auch aus dem Ausland Fachkräfte anwerben können. Und zugleich müssen wir denjenigen, die als Geflüchtete zu uns gekommen sind, endlich die Möglichkeit geben, zu arbeiten oder eine Ausbildung zu machen und anschließend hier zu arbeiten. Hier brauchen wir dringend einen Spurwechsel. Nur so werden wir den Fach- und Arbeitskräftemangel überwinden können.

Wie gute Arbeitsbedingungen dazu beitragen können, dass Fachkräfte gehalten werden und der Betrieb läuft, verdeutlichte uns anschließend Anja Stoll, die auf der Maisenburg erst im Juni das „Naturhotel Die Maise“ eröffnet hat. Ein Teil ihrer Mitarbeiter:innen arbeitet schon seit 16 Jahren bei ihr und ihrem Mann auf der Maisenburg. 140 Hochzeiten finden dieses Jahr oberhalb des Lautertals statt. Zu Beginn, als Stoll und ihr damals noch zukünftiger Mann das Hofgut und die dazugehörigen 150 ha Wald und Wiesen übernahmen, hatten sie hier oben ein paar Ferienwohnungen. Mit der eigenen Hochzeit auf dem Hofgut wurden Hochzeitsfeiern vor 16 Jahren dann ein fester Bestandteil des Angebots.

Und damit die Hochzeitsgäste nicht immer nach der Feier weit fahren müssen, wurde jetzt das „Naturhotel Die Maise“ gebaut. 32 Zimmer sind hier untergebracht vom kleinen Fuchsbau bis hin zur Biberburg sind sie alle individuell und geschmackvoll eingerichtet. Das Haus birgt viele unterschiedliche Naturmaterialien, natürlich Holz, natursteinerne Fundamente, lederne Sofas, mit Leinen bezogene Betten in komfortablen Zimmern und Tische, die mit Getreideähren in kleinen Vasen geschmückt sind. Stoll schafft hier ein wunderschönes Ambiente, das nicht nur Hochzeitsgäste zu schätzen wissen, sondern auch Firmengruppen oder Gruppen, die Geburtstage feiern wollen. Im Keller befindet sich ein großzügiger Wellnessbereich. Für das leibliche Wohl sorgt bei den Hochzeitsfeiern im großen Saal in der Regel der Spitzenkoch Simon Tress. Und zum Rahmenprogramm gehört die Kräuterwanderung oder gern auch mal ein Kochkurs. Es ist ein wunderschöner Ort, der wunderschön präsentiert wird.

Am späten Nachmittag stieß dann die grüne Landtagsabgeordnete Cindy Homberg zu uns und wir besuchten gemeinsam die Gedenkstätte und das Dokumentationszentrum Grafeneck. Nach den coronabedingten Schließungen, so erzählt Gedenkstättenleiter Thomas Stöckle, besuchen inzwischen wieder viele Schulklassen und Erwachsene Grafeneck, um sich über die Menschheitsverbrechen der Nazis zu informieren, die hier 1940 verübt wurden. 10.645 behinderte Menschen wurden hier innerhalb von elf Monaten im Gas ermordet. Zur Erinnerung an diese Euthanasie-Verbrechen ist in Grafeneck vor fast 20 Jahren das Dokumentationszentrum entstanden. Im Schloss Grafeneck residierten 1940 die Täter, eben jene Ärzte, Beamte und SS-Männer, die später die Ärzte von Auschwitz oder die Lagerleiter von Treblinka wurden.

Heute ist dieses Schloss, das der Samariter-Stiftung gehört, schon lange nicht mehr instand gehalten worden, gibt Markus Mörike, der Leiter der Stiftung zu. Deshalb wurde jetzt über das Land Baden-Württemberg ein Antrag auf Gedenkstättenförderung beim Bund gestellt. Im Dezember, kurz nach der neuen Regierungsbildung, meldete sich die neue Staatsministerin für Kultur, Claudia Roth, bei Stöckle und stellte in Aussicht, der Bund werde Grafeneck fördern. Mit Bundesmitteln können das Erdgeschoss und die erste Etage des Schlosses renoviert und zu einem modernen Zentrum umgebaut werden, in dem Forschung, Dokumentation und Information Platz finden. Vor allem Bildungsveranstaltungen soll das Schloss neuen Raum geben. Wann es genau losgehen wird, ist noch unklar. Wir hoffen, bald. Denn so könnte der Aufruf der Gedenkstätte noch mehr Menschen erreichen: „Setzen Sie sich ein für ein friedliches Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und Voraussetzungen.“

Am Abend trafen Cindy Holmberg und ich uns dann im Hotel Herrmann in Münsingen mit Mitgliedern der grünen Ortsvereine auf der Alb, um uns auszutauschen. Und wie es der Zufall so will, kommt zur gleichen Zeit unser Ministerpräsident Winfried Kretschmann auf die Terrasse des Restaurants. Und natürlich ist ein gemeinsames Foto möglich – auch für andere stolze Gäste.