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08.09.2023

Rede: Haushalt Arbeit und Soziales

Heute wurde in erster Lesung der Haushalt in den Bundestag eingebracht. Auch in unserem Bereich – Arbeit und Soziales – erwartet Bundesfinanzminister Lindner Einsparungen. Mit den vorgeschlagenen Einsparmaßnahmen bin ich aber nicht einverstanden. Aus meiner Sicht darf bei der Arbeitsförderung definitiv nicht gekürzt werden. Im Gegenteil – wir müssen in die Menschen investieren, um ihnen Chancen und Perspektiven zu ermöglichen. Den so genannten Rechtskreiswechsel lehne ich ebenfalls ab. Die jungen Menschen sollen auch zukünftig von den Jobcentern betreut werden, denn sie brauchen individuelle und ganzheitliche Unterstützung. Das sind die Themen, für die ich mich in den Haushaltsberatungen einsetzen werde.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Kolleginnen und Kollegen! In diesem Haushalt sind die finanziellen Spielräume eng – auch im Bereich Arbeit und Soziales. Und gerade deshalb ist es besonders wichtig, dass wir die zentralen Ziele fest im Blick haben. Und aus grüner Sicht geht es darum, Arbeitslosigkeit und vor allem auch Langzeitarbeitslosigkeit zu verhindern.

(Hermann Gröhe (CDU/CSU): Bei den Jobcentern zu kürzen!)

Und das schaffen wir mit Unterstützung für die einen und mit Qualifizierung für die anderen. Alle Erwerbslosen brauchen Chancen und Perspektiven.

Vor diesem Hintergrund gibt es zwei Punkte in diesem Haushalt, die Fragen aufwerfen und die wir natürlich zu diskutieren haben.

Der erste ist der geplante Rechtskreiswechsel. Junge Menschen unter 25 Jahren sollen ja künftig nicht mehr von den Jobcentern, sondern von den Arbeitsagenturen betreut werden. Das klingt nach einer einfachen Verschiebung, die unkompliziert umgesetzt werden kann. Wenn wir uns das aber genau anschauen, dann ist das alles andere als einfach.

(Hermann Gröhe (CDU/CSU): Das ist falsch!)

Die Gründe sind vielfältig.

(Marc Biadacz (CDU/CSU): Arbeiten kann jeder!)

Die Fachkräfte in den Jobcentern haben jahrelange Erfahrung mit den jungen Menschen, die nicht sofort vermittelt werden können, die gesundheitliche Einschränkungen haben oder die mit schwierigen Familienverhältnissen zu kämpfen haben. Und genau das haben die Jobcenter im Blick.

(Frank Bsirske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Sie unterstützen die jungen Menschen – individuell, aber auch mit Blick auf die familiäre Situation. In den Arbeitsagenturen geht es in erster Linie eben nicht um diese ganzheitliche Unterstützung, sondern um Vermittlung. Und das ist ja auch ihre gesetzliche Aufgabe. Aber genau dieser andere Fokus macht uns Grünen Sorgen; denn wir dürfen diese jungen Menschen einfach nicht verlieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP und des Abg. Pascal Meiser (DIE LINKE) – Hermann Gröhe (CDU/CSU): Aha!)

Die Jobcenter haben auch die passenden Instrumente. Es gibt beispielsweise den § 16h SGB II für sogenannte schwer erreichbare junge Menschen, der in enger Kooperation mit der Jugendhilfe umgesetzt wird. Mit dem Bürgergeld haben wir noch einmal die aufsuchende Arbeit stark gemacht. Wir haben das ganzheitliche Coaching eingeführt. Auch wenn einige dieser Instrumente zusammen mit den jungen Menschen in die Agenturen, in das SGB III verschoben werden, dann hätten wir immer noch nicht die passenden Strukturen.

(Hermann Gröhe (CDU/CSU): Aha!)

Denn die Jobcenter sind natürlich lokal vernetzt: mit Jugendhilfe, Schulen, Kammern, Sozialarbeit, Stichwort: „Jugendberufsagenturen“. Von daher wundert es nicht, dass es von allen relevanten Akteuren Kritik dazu gab.

(Hermann Gröhe (CDU/CSU): Aha!)

Städte- und Landkreistag, Jobcenter, Personalräte, Jugendberufshilfe –

(Hermann Gröhe (CDU/CSU): Also die, die was davon verstehen!)

sie sind sich alle einig: Wir sollen auf keinen Fall diese etablierten Strukturen aufgeben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Frank Bsirske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Herr Gröhe, wir sind in der ersten Lesung. Ich weiß nicht, muss ich Ihnen als Union sagen, dass wir in der ersten Lesung sind? – Natürlich nehmen wir diese Kritik ernst. Und natürlich werden wir darüber diskutieren und uns damit auseinandersetzen. Sie als Union müssten eigentlich wissen,

(Zuruf von der SPD: Als ehemaliger Minister!)

wie so etwas im parlamentarischen Verfahren funktioniert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Hermann Gröhe (CDU/CSU): Also Sie dürfen kritisieren und wir nicht! Wie absurd ist das denn? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

– Wollen Sie eine Frage stellen?

Der zweite Punkt, der uns Grüne umtreibt, sind die geplanten Kürzungen bei der Arbeitsförderung. Wir haben ein Bürgergeld mit guten Instrumenten beschlossen. Wir wollen eine Qualifizierungsoffensive, um arbeitslose Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Und dafür brauchen wir natürlich auch die notwendigen Mittel. Bei der Arbeitsförderung darf definitiv nicht gekürzt werden. Richtig wären doch Investitionen in die Menschen, in Ausbildung, in Arbeit.

(Hermann Gröhe (CDU/CSU): Klatsche für den Minister!)

Davon profitieren dann die Menschen. Wir tun damit gleichzeitig etwas gegen den Fachkräftemangel und reduzieren auch die Ausgaben bei den Transferleistungen. Genau das ist Sinn und Zweck guter aktiver Arbeitsmarktpolitik. Und genau darüber werden wir in den Haushaltsberatungen auch reden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Rede: Haushalt Arbeit und Soziales