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24.07.2012

Kleine Anfrage: Psychische Gefährdungen werden beim Arbeitsschutz vernachlässigt

Die Antworten auf meine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zeigt eine traurige Realität bei den Aufsichtsbehörden. Die Personalausstattung wurde stark zurückgefahren. Vor allem aber werden psychische Gefährdungen kaum berücksichtig. Es fehlt das Handwerkszeug dafür. Wir brauchen endlich eine Anti-Stress-Verordnung beim Arbeitsschutz. Die Regierung aber bleibt mal wieder untätig.

Das Arbeitsleben ist vermehrt von prekären Beschäftigungsverhältnissen, aber auch von steigender Arbeitsintensität, geprägt. Die Arbeitsbedingungen überfordern immer mehr Beschäftigte und führen zu nachhaltigen Gesundheitsschäden. Bedenklich ist in diesen Zusammenhang insbesondere, dass in den vergangenen Jahren vor allem die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz stark zugenommen haben. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels gilt es aber die Arbeitswelt so zu gestalten, dass die Beschäftigten bis zum Rentenalter gesunde, alters- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen vorfinden. Ein umfassender Arbeitsschutz und insbesondere effektive Aufsichtsbehörden sind unerlässlich. Deshalb haben wir mit einer Kleinen Anfrage die Bunderegierung befragt, wie es mit der Aufsichtstätigkeit beim Arbeitsschutz aussieht. Die Antworten zeigen aber eine traurige Realität.

Weil mittlerweile die arbeitsbedingten psychischen Gesundheitsprobleme der Hauptgrund für Frühverrentung darstellt, haben wir nachgefragt, wie sich die Aufsichtsbehörden dieser Problemstellung annehmen. Die Antwort ist ernüchternd. Nur bei jeder neunzigsten Besichtigung der Aufsichtsbehörden wird das Sachgebiet „psychische Belastung“ thematisiert. Sie verweist auf erste Schritte zur Schulung des Aufsichtspersonals und dass eine „Leitlinie Beratung und Überwachung zu psychischer Belastung“ in Vorbereitung ist. Entscheidend ist aber, dass die Bundesregierung zugibt: „Die bisherigen Konzepte greifen hier nicht.“ Die Analyse stimmt, aber wie so häufig folgen keine Konsequenzen. Wir brauchen endlich eine Anti-Stress-Verordnung, damit die Aufsichtsbehörden und auch die Betriebe Handwerkszeug an die Hand bekommen, um arbeitsbedingten Stress zu reduzieren. Die Bundesregierung hingegen sieht keinen Handlungsbedarf. Dies ist angesichts der überproportional steigenden arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen eine unverantwortliche Politik zu Lasten der Beschäftigten.

Zentrales Instrument beim Arbeitsschutz ist die Gefährdungsbeurteilung. Wir fragten nach, wie viele Betriebe diesbezüglich ihrer Pflicht nachkommen. In der Antwort muss die Bundesregierung zugeben, dass das Vorliegen von Gefährdungsbeurteilungen bei Besichtigungen nicht einmal statisch erfasst wird. Das ist ein Skandal. Die Bundesregierung verweist lediglich auf eine Befragung von 6.500 Arbeitgebern im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Das Ergebnis ist erschreckend. Nur 52% der Betriebe über alle Größenklassen hinweg haben eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und nur 20 Prozent der befragten Betriebe haben dabei psychische Belastungen einbezogen. Hier besteht ein beträchtliches Durchführungsdefizit. Das Arbeitsschutzgesetz wird in großem Maß missachtet, aber die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Das kann nur aufs Schärfste kritisiert werden.

Nachgefragt haben wir insbesondere den Personalstand der Aufsichtsbehörden. Die Antworten sprechen eine eindeutige Sprache über den Zustand der Aufsicht im Arbeitsschutz. So haben die Bundesländer seit 2005 den Personalstand der Arbeitsaufsichtsbehörden insgesamt um 17 Prozent reduziert und dies, obwohl den Behörden zusätzlich zahlreiche fachfremde Aufgaben übertragen wurden. Auch die übrigen Aufsichtsbehörden haben seit 2005 Personal abgebaut. Zwar beobachtet die Bundesregierung diese Entwicklung mit Sorge, aber sie bleibt wie immer untätig. Aus unserer Sicht erfüllt die Bundesregierung damit nicht ihre Verpflichtung im Rahmen des 81. Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation, wonach ausreichend Aufsichtspersonal im Arbeitsschutz zur Verfügung gestellt werden muss. Die Bundesregierung muss endlich auf die Länder einwirken, damit die Personalkürzungen beim Arbeitsschutz zurück genommen werden.

Die geringere Personalausstattung der Aufsichtsbehörden spiegelt sich auch in der Zahl der Besichtigungen wieder. So sind die Besichtigungen der Gewerbeaufsicht der Länder und der Gewerblichen Berufsgenossenschaften zwischen 2005 und 2010 um 23 Prozent, der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften um 31 Prozent und die der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand um 26 Prozent gesunken. In der Folge werden auf der Grundlage der Besichtigungen im Jahr 2010 hochgerechnet die Betriebe von der Gewerbeaufsicht der Länder gerade mal alle 20 Jahre besucht. Und dies obwohl, die Nachfragen zu Anordnungen, Verwarnungen und Bußgelder ergeben haben, dass die Zahlen trotz abnehmendem Personalstand zugenommen haben. Damit wird das Arbeitsschutzgesetz zum zahnlosen Tiger. Die Bundesregierung verfährt aber wieder nach der Devise: „Augen zu und durch“.

Die Bundesregierung muss für gute und verlässliche Rahmenbedingungen sorgen, damit zukünftig Arbeitsplätze alters- und alternsgerecht gestaltet werden. Notwendig sind gute Arbeitsbedingungen, die dem jeweiligen Alter der Beschäftigten angemessen sind und perspektivisch das gesamte Arbeitsleben eines Menschen im Blickfeld haben. Dazu muss der präventive und ganzheitliche Ansatz des Arbeitsschutzes konkretisiert und vor allem der bestehende Arbeitsschutz verbindlich durchgesetzt werden. Diesem Anspruch wird die Bundesregierung aber nicht gerecht.



Kleine Anfrage

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Anlage Antwort

Pressebericht Süddeutsche Zeitung