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18.01.2023

Arbeitszeit und Burnout

23-01-18 Artikelbild_Rechtspolitischer Dialog Thüsing 23-01-18 Artikelbild-2_Rechtspolitischer Dialog Thüsing
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„Das Paukenschlagurteil des Bundesarbeitsgerichts“ nennt Professor Gregor Thüsing es. Der Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und das Recht der sozialen Sicherheit an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn meint damit die Entscheidung des BAG, dass künftig sämtliche Arbeitszeit aller Beschäftigten dokumentiert werden muss. Das Urteil muss nun politisch umgesetzt werden und das ist ihm Anlass genug, einen rechtspolitischen Dialog zu initiieren, zu dem ich in die Humboldt Universität Berlin eingeladen war. Und die Diskussion war inhaltlich wirklich spannend und anregend.

„Arbeitszeit und Arbeitszeiterfassung in der Kanzlei“, so lautete der Titel der Dialogveranstaltung zu der die Abgeordneten aller demokratischen Parteien eingeladen waren. Veranstaltet wurde der rechtspolitische Dialog vom Forschungsinstitut für Anwaltsrecht der Humboldt-Universität, von Thüsings Institut in Bonn und vom Bundesverband der Wirtschaftskanzleien. Das BAG-Urteil war dabei nur der Aufhänger für eine intensive und sehr vielfältige Diskussion rund um das Thema Arbeitszeit in Kanzleien. Denn Anwälte in großen Kanzleien, das ist auch das Ergebnis von Untersuchungen, arbeiten bei weitem mehr als 40 Stunden pro Woche, durchschnittlich sind es 51 Stunden, 20 Prozent von ihnen arbeiten sogar mehr als 60 Stunden pro Woche.

Auf diese Weise kollidieren Anwälte und Rechtsbeistände regelmäßig mit dem Arbeitsrecht – und verstoßen gegen das Arbeitszeitgesetz. Berufsrechtlich, so argumentieren die Anwälte großer Kanzleien, sei die Tätigkeit meist geboten. Arbeitszeitrechtlich könne sie unzulässig sein. Und das möchte die Anwaltschaft gerne ändern. Denn in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung könne es doch nicht sein, dass ein Arbeitszeitrecht aus den Zeiten der Industrialisierung immer noch der Maßstab sei.

Das heute gültige Arbeitszeitgesetz wurde 1994 erlassen. Das Zeitalter der Industrialisierung war da abgeschlossen. Die Gesellschaft veränderte sich schon damals hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft. PCs und Emails gehörten längst zum Arbeitsalltag, Laptops auch – nur das Smartphone war noch nicht entwickelt. Und egal, ob 1994 oder 1900 – in all den Jahrzehnten diente das Arbeitszeitgesetz dem Arbeitsschutz und damit vor allem dem Gesundheitsschutz. Und deshalb kann ich den Wünschen der Anwälte nicht einfach so folgen. Denn arbeitsmedizinische Studien haben längst bewiesen, dass zu langes Arbeiten krank macht. Nicht von ungefähr ist das Hauptberufsrisiko von Anwälten ein Burnout.

Wenn es um eine Reform bei der Arbeitszeit geht, dann ist mir wichtig, dass die Menschen mehr Zeitsouveränität erhalten. Arbeit muss besser ins Leben passen. Und wichtig bleibt – Arbeit darf nicht krank machen.