Inhalt

27.02.2014

Auch die Ehrenamtlichen brauchen Hilfe

14-02-27_Fg_Asyl

Das Thema Flüchtlinge treibt mich um, denn es weckt vor Ort viele Emotionen und aktiviert viele Menschen zu solidarischem Handeln. Es bleiben aber ungelöste Probleme. Deshalb habe ich Vertreter von Verwaltung, ehrenamtlichen Unterstützerkreisen, Sozialverbänden und Kirchen zu einem fachlichen Austausch über die Flüchtlingsaufnahme im Landkreis Reutlingen eingeladen. Viele der Teilnehmenden habe ich bereits bei Besuchen in den Flüchtlingsunterkünften in Reutlingen, Münsingen und Dettingen getroffen. Jetzt ging es mir vor allem darum, alle an einen Tisch zu bekommen und den Bogen zu spannen von notwendigen Gesetzesänderungen im Bund bis hin zur konkreten Situation vor Ort.

Die Zahlen der Asylbewerbenden steigen bundesweit und auch in meinem Wahlkreis, deshalb ist solch ein Austausch wichtig und notwendig. Das zeigte sich im Laufe des rund zweistündigen Gesprächs, denn einige Probleme haben ihren Ursprung eindeutig in bundespolitischen Regelungen. Ich sehe mich darin bestätigt, dass die Bundesregierung die Asylverfahren verkürzen und dafür die Beratung und Begleitung der Flüchtlinge nach ihrer Ankunft verbessern muss. So sieht es auch Dr. Claudius Müller, der Ordnungsdezernent des Landkreises Reutlingen und in dieser Funktion zuständig unter anderem für die Unterbringung der Asylbewerbende. Er sieht in den überlangen Verfahrenszeiten eines der größten Hindernisse für eine gelungene Integrationsarbeit. Die lang andauernden Asylverfahren lassen die Menschen zu lange im Ungewissen. Wir alle in der Runde waren uns einig, dass der Bund bisher noch zu wenig Personal für die Bearbeitung der zahlenmäßig steigenden Asylanträge einsetzt. Sigrid Godbillon vom Arbeitskreis Flüchtlinge Reutlingen kritisierte auch die Art der Anhörungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Oft kommen dabei die wirklichen Asylgründe gar nicht zur Sprache. Scham, Unwissenheit oder mangelnde Vorbereitung auf die Anhörung sind häufig die Gründe, warum die Schutzsuchenden ihre Erlebnisse nicht detailliert schildern könnten. In der Folge werden häufig zu Unrecht die Asylanträge abgelehnt. Für die ehrenamtlichen Aktiven ist das ein Skandal. Dieter Schweizer aus Dettingen ist überzeugt „wenn wir den Menschen das Grundrecht auf Asyl einräumen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass es in Anspruch genommen werden kann.“

Ein besonderes Anliegen war es mir, die Begleitung der Ehrenamtlichen anzusprechen. Es wird zwar viel über das bewundernswerte Engagement der ehrenamtlichen Unterstützerkreise gesprochen und geschrieben, aber sie brauchen auch selber Unterstützung bei ihrer emotional belastenden ehrenamtlichen Arbeit. Für diese Aussage habe ich von den anwesenden Ehrenamtlichen viel Zustimmung erhalten. Die praktische Betreuungsarbeit der ehrenamtlichen Unterstützerkreise braucht mehr professionelle Hilfe, wie unter anderem Andrea Henning vom Team Treffpunkt International in Unterhausen bestätigte. In der sozialen Arbeit ist Supervision üblich und etabliert – in der ehrenamtlichen Flüchtlingsarbeit fehlt sie bisher noch, wie auch Denis Bieler vom Arbeitskreis Asyl Münsingen bestätigte. Gerade die Arbeit mit traumatisierten Menschen ist höchst fordernd. Viele Flüchtlinge haben schreckliche Dinge erlebt, Bürgerkriegssituationen, Folter, Missbrauch und Misshandlungen – die Ehrenamtlichen geraten hier schnell in die Situation, den Betroffenen nicht mehr ausreichend helfen zu können. Es braucht klar definierte Schnittstellen zwischen Ehren- und Hauptamt, eine gründliche „Einführung“ in die Betreuungsarbeit und ständige Betreuung und Begleitung. Es ist wirklich erstaunlich, dass in der Flüchtlingsarbeit dennoch so viele Ehrenamtliche helfen, stellte Pfarrerin Katrin Sältzer fest.

Ein weiterer Themenkomplex drehte sich rund um das Thema Wohnen und Unterkünfte. Der Landkreis hat eine dezentrale Unterbringungskonzeption entwickelt, wie Dr. Bednarz, Leiter des Ordnungsamtes beim Landkreis Reutlingen, betonte. Der Unterbringungsdruck ist jedoch so groß, dass es extrem schwierig wird, genügend Wohnraum zu finden oder zu schaffen – insbesondere vor dem Hintergrund, dass die grün-rote Landesregierung die vorgeschriebene Mindestzahl an Quadratmetern pro Person im Flüchtlingsaufnahmegesetz erhöht hat. Wobei diese Regelung von den Anwesenden sehr begrüßt wurde, denn es ist im Moment schon sehr eng in den Unterkünften. Es ist aber völlig unklar, woher ausreichend Wohnraum außerhalb von ungeliebten und provisorischen Containerlösungen kommen soll. „Es gibt eine Konkurrenz im sozialen Wohnungsmarkt und ein zu geringes Angebot an bezahlbaren Wohnungen“, so brachte es Günter Klinger, Geschäftsführer des Diakonieverbandes Reutlingen, auf den Punkt. Nach diesem Gespräch ist für mich die zentrale Botschaft eindeutig: Wir brauchen wieder Wohnraum, der bezahlbar ist und mehr Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. Ohne finanzielle Unterstützung des Bundes sind die Kommunen bei diesem Thema überfordert. Die Eindrücke und Forderungen nehme ich selbstverständlich mit nach Berlin in die grüne Fraktion.

 

Bericht als PDF