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17.10.2011

Datenschutz Forum in Dresden

Datenschutz Forum in Dresden

Der Weg nach Dresden hat sich gelohnt. Das Podium zum Beschäftigtendatenschutz und dem Gesetz der Bundesregierung war gehaltvoll besetzt – auch wenn die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kurzfristig (ohne Ersatz) abgesagt hat. Zusammen mit den Professoren Wedde und Däubler, Dr. Brink und Dr. Breyer (Piraten) haben wir vor rund 150 Betriebsräten die Folgen des neuen Gesetzes diskutiert. Mein Fazit: Lieber kein neues Gesetz als ein Beschäftigtendatenschutz, der seinen Namen nicht verdient.

Zahllose Konzerne sind in den vergangenen Jahren mit Datenschutzskandalen in die Schlagzeilen geraten, von der Bahn AG über die Telekom bis hin zu Daimler und Airbus, von LIDL über den Drogeriemarkt Müller bis zu EDEKA. Dabei ging es um Videoüberwachung, Telefonüberwachung, um das Screening von Personaldaten und Mails und es wurden geheime Krankenakten geführt. Der Druck nach einem besseren Beschäftigtendatenschutz wurde immer größer. In der Folge hat die Bundesregierung ein Gesetzentwurf vorgelegt. Lange war dazu nichts mehr zu hören, jetzt scheint es so, als ob die Regierung noch dieses Jahr das Gesetz verabschieden möchte. Die Kritik dazu ist aber massiv, wie auch die Diskussion beim Datenschutz Forum bewiesen hat.

Mit Hilfe einer sogenannten „freiwilligen Einwilligung“ können zukünftig mehr Daten erhoben werden von Eignungstests über Gesundheitsuntersuchungen bis hin Daten aus sozialen Netzwerken. Ärztliche Untersuchungen während des Beschäftigungsverhältnisses sind bisher nur begrenzt möglich – in Zukunft soll der Arbeitgeber diese auch zur Eignungskontrolle oder bei einem Wechsel der Tätigkeit erheben können. Für den automatisierten Abgleich von Beschäftigtendaten (Screening) gab es bisher keine Rechtsgrundlage. Nun wird er legalisiert – nicht nur zur „Aufdeckung“ von Straftaten – sondern selbst ohne konkreten Verdacht. Der Skandal um das Screening von Beschäftigtendaten bei der Deutschen Bahn wäre unter einer solchen Regelung legal gewesen. Die heimliche Videoüberwachung ist eng gefasst, aber die offene Überwachung soll hingegen auch zur Leistungskontrolle möglich sein.

Ganz abstrus ist ein möglicher Änderungsantrag des Innenministeriums, der das Gesetz noch weiter verschlimmern würde. So ist wohl im Gespräch, dass die Gesetzeslage durch Betriebsvereinbarungen unterlaufen werden kann. Mit solch einer Regelung werden Betriebsräte einem nicht vertretbaren Druck ausgesetzt. Außerdem gilt für mich: Ein Gesetz soll Mindeststandards garantieren. Und dies muss auch so bleiben.

Alles zusammen führt nicht zu mehr Schutz, sondern zu einem unverhältnismäßigen Ausbau der Überwachung. Dies würde Leistungsdruck und Stress am Arbeitsplatz noch weiter verschärfen. Arbeit würde noch unmenschlicher in Deutschland. Im Gesetz steht auch die Korruptionsbekämpfung und das so genannte „Compliance“ im Mittelpunkt. Das stellt alle Beschäftigten unter Generalverdacht. Vertrauen wird zur Einbahnstraße. Und gleichzeitig wird von den Beschäftigten unbedingte Loyalität erwartet. Das passt nicht zusammen. Mein Fazit kann nur sein: Lieber kein neues Gesetz, als ein Beschäftigtendatenschutz, der seinen Namen nicht verdient.

  • Wir Grünen haben einen eigenen Gesetzentwurf zum Beschäftigtendatenschutz vorgelegt und fordern:
  • ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz anstelle von Änderungen im reformbedürftigen und überkomplizierten Bundesdatenschutzgesetz,
  • die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Beschäftigtendaten darf im Grundsatz nicht an die Einwilligung der Beschäftigen gekoppelt werden,
  • in der Bewerbungssituation und in einem laufenden Beschäftigungsverhältnis müssen die bislang von Gesetz und Rechtsprechung geschaffenen Grenzen zulässiger Datenverarbeitung gewahrt bleiben,
  • eine strikte Begrenzung der Videoüberwachung, die allenfalls in sehr eng umrissenen Grenzen für bestimmte Zwecke zulässig sein darf und keinesfalls zur Verhaltens- und Leistungskontrolle von Beschäftigten eingesetzt werden darf,
  • Kommunikationsdienste, E-Mails, Telefon und Internet dürfen grundsätzlich nicht überprüft und nicht zur Verhaltenskontrolle genutzt werden,
  • betriebsinterne Rasterfahndungen („Screening“) sind nur bei konkreten Verdachtsfällen von Korruptionsstraftaten erlaubt,
  • erweiterte Mitspracherechte bei der Erarbeitung und Durchsetzung von beschäftigtendatenschutzrechtlichen Regelungen für Betriebsräte und betriebliche Datenschutzbeauftragte und
  • ein eigenständiges Klagerecht für Betriebsräte und Gewerkschaften.

Pressemitteilung des Datenschutzforums