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04.11.2022

Die Union: Unchristlich, unsozial und fixiert auf drei Prozent

Das neue Bürgergeld geht CDU und CSU zu weit. Es setze „falsche Anreize“. Es sei eine „soziale Hängematte“. Dabei steht das „C“ im Namen beider Parteien wohlgemerkt für „christlich“, das „S“ der CSU angeblich für „sozial“. Doch beiden Parteien ist das Schonvermögen zu hoch, die Wohnung zu groß und außerdem wollen sie keine Vertrauenszeit, sondern vor allem Sanktionen. Welches Menschenbild haben Unionspolitiker:innen eigentlich?

Beim Bürgergeld gibt es, nachdem der Kooperationsplan gemeinsam erarbeitet wurde, eine Vertrauenszeit von sechs Monaten, in der nur mehrmalige Terminversäumnisse sanktioniert werden. Denn es geht darum, Vertrauen aufzubauen als Grundlage für eine gute Zusammenarbeit. Und diese Vertrauenszeit empfindet die Union als fatal. Dabei gibt es in der Realität nur sehr wenige Menschen, die in der Vergangenheit tatsächlich sanktioniert wurden. Bis zum Beginn der Corona-Pandemie erhielten gerade mal rund drei Prozent aller Hartz IV-Empfänger:innen Sanktionen. Das heißt konkret: 97 Prozent sind bemüht, aus ihrer Situation herauszukommen. Wieso konzentriert sich die Union hier eigentlich hartnäckig auf eine Minderheit von drei Prozent und weigert sich, die große Mehrheit von 97 Prozent der arbeitslosen Menschen überhaupt zu sehen? Denn diese Mehrheit macht was – sie sucht eine Arbeit, die den eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten entspricht. Dass das nicht bei allen klappt, liegt manchmal an zu wenig Unterstützung, häufig aber auch an gesundheitlichen oder anderen Problemen, die erst einmal bewältigt werden müssen.

Mit dem Bürgergeld gibt es auch eine zweijährige Karenzzeit, in der das Vermögen nicht berücksichtigt wird und auch die tatsächlichen Kosten der Wohnung anerkannt werden. Denn die bisherige Praxis, die Menschen zwingt, mit dem erstmaligen Bezug von Grundsicherungsleistungen in eine kleinere Wohnung zu ziehen, ist Unsinn. Die Menschen, die in die Grundsicherung fallen, brauchen doch statt Umzugssorgen erst einmal einen freien Kopf, um sich auf die Arbeitssuche zu konzentrieren oder auf die Suche nach einer guten Fortbildung oder Umschulung.

Und auch das höhere Schonvermögen ist gerechtfertigt. Auf den ersten Blick scheint es eine Frage der Gerechtigkeit zu sein, dass Menschen mit hohem Vermögen keine Grundsicherung beziehen. Auf den zweiten Blick ist es aber unwahrscheinlich, dass Menschen mit hohem Vermögen überhaupt in den „Genuss“ dieser Leistungen kommen – selbst wenn es keine Vermögensprüfung gibt. Denn wer hohe Vermögenswerte hat, bezieht in der Regel auch Einkommen daraus. Wer zum Beispiel mehrere Mietshäuser besitzt und diese vermietet, bezieht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die natürlich angerechnet werden. Denn Einkommen aus Vermögen werden auch zukünftig durch die Jobcenter geprüft.

Zurzeit bekommen Menschen mit kleinem Vermögen keine Grundsicherung. Sie müssen erst ihr mühsam erspartes Geld aufbrauchen, ehe sie ein Recht auf Grundsicherung bekommen. Und das ist bei Lichte betrachtet wirklich eine Frage der Gerechtigkeit.