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22.03.2014

Frageaktion zu 5 Jahre UN-Behindertenrechtskonvention

Zum Jubiläum der UN-Behindertenrechtskonvention haben wir in der Fragestunde eine Aktion gestartet, um die Pläne der Regierung zu erfragen. Viele KollegInnen aus der grünen Bundestagsfraktion haben sich daran beteiligt und somit konnten alle Facetten beleuchtet werden. Ich habe natürlich auch Fragen gestellt und zwar rund um die Integration von Menschen mit Behinderungen auf dem Arbeitsmarkt. Unser Anliegen ist die UN-Behindertenrechtskonvention in den Mittelpunkt der Politik zu rücken. Es braucht endlich vermehrt Anstrengungen, damit behinderte Menschen ganz selbstverständlich und umfänglich am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Ich rufe die Frage 36 der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke auf:

Ist es aus Sicht der Bundesregierung geboten, die Arbeitsstättenverordnung dergestalt zu überarbeiten, dass Betriebe generell verpflichtet werden, Arbeitsstätten barrierefrei zu gestalten und die Integrationsämter zur Übernahme der Kosten in vollem Umfang zu verpflichten?

Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales:

Vielen Dank. – Sehr geehrte, liebe Kollegin Müller-Gemmeke, die Bundesregierung sieht derzeit keine Notwendigkeit, die Arbeitsstättenverordnung dahin gehend zu ändern, dass eine Verpflichtung für den Arbeitgeber zur generellen barrierefreien Gestaltung von Arbeitsstätten eingeführt wird.

Die Bundesregierung hat mit § 3 a Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung geregelt, dass Arbeitgeber, die Menschen mit Behinderungen beschäftigen, Arbeitsstätten so einzurichten und zu betreiben haben, dass die besonderen Belange dieser Beschäftigten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Eine allgemeine, von jedem individuellen Bezug losgelöste Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung barrierefreier Arbeitsplätze und Arbeitsstätten würde die Arbeitgeber in tatsächlicher wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht überfordern. Eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung ist auch deshalb nicht erforderlich, da der Stand der Barrierefreiheit in der Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen in Deutschland ein hohes Niveau erreicht hat.

Um den Arbeitgeber jedoch bei seinen Verpflichtungen zu unterstützen, hat der in § 7 Arbeitsstättenverordnung geregelte Ausschuss für Arbeitsstätten unter anderem Gestaltungsvorschläge für das Einrichten und Betreiben von barrierefreien Arbeitsstätten ermittelt. Diese heißen „Technische Regeln für Arbeitsstätten“ mit Maßnahmen für die barrierefreie Gestaltung von Arbeitsplätzen und mit Anforderungen zum Beispiel an behindertengerechte Türen, Verkehrswege, Fluchtwege, Notausgänge, Treppen, Orientierungssysteme und Toilettenräume. Sie wurden im Gemeinsamen Ministerialblatt der Bundesregierung veröffentlicht.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Frau Kollegin.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte gerne nachfragen, weil ich glaube, dass noch ein paar mehr Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt Chancen haben sollten. Von daher möchte ich nachfragen: Wenn Sie an der Arbeitsstättenverordnung nichts verändern wollen, was wird die Bundesregierung stattdessen unternehmen, um die Chancen von Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern?

Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales:

Darauf antworte ich sehr gerne. – In der Tat hat die Bundesregierung ein großes Interesse daran, dass wir mehr Menschen mit Behinderung einen Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erlauben. Das Stichwort ist dabei inklusiver Arbeitsmarkt. Daran werden wir in dieser Legislaturperiode arbeiten und ganz sicher auch Ergebnisse erzielen. Wir würden uns freuen, wenn wir gemeinsam mit dem Parlament zu wirklichen Verbesserungen kommen.

Ihre Frage zielte jedoch auf Folgendes: Wollen wir eine generell barrierefreie Gestaltung von Arbeitsstätten einführen? – Das ist eine ganz grundsätzliche Sache. Sie würde jeden Arbeitsplatz und jede Barriere betreffen. Aus den von mir vorgetragenen Gründen halten wir das nicht für zielführend.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank. – Ich möchte noch einmal nachfragen. Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, die Ausgleichsabgabe nach § 77 SGB IX zu erhöhen und damit die Chancen für behinderte Menschen zu verbessern? Wenn Sie etwas in dieser Richtung vorhaben: In welcher Form und wann wird das passieren?

Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales:

Vielen Dank auch für diese Frage, die ich ebenso gerne beantworte. – Es besteht zurzeit nicht die Absicht, die Ausgleichsabgabe zu erhöhen. In der Tat steht sie zur Verfügung, um genau die genannten Maßnahmen zu unterstützen und voranzubringen. Wir gehen davon aus, dass wir auskömmliche Mittel zur Verfügung haben. Deshalb sehen wir zurzeit keine Notwendigkeit, die Ausgleichsabgabe zu erhöhen.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank.

Ich rufe die Frage 37 der Kollegin Beate Müller-Gemmeke auf:

Wie viele Arbeits- und Ausbildungsplätze wurden durch die „Initiative Inklusion“ bisher tatsächlich geschaffen, und wie viele der Menschen, die darüber einen Arbeits- bzw. Ausbildungsplatz bekommen haben, sind derzeit noch dort beschäftigt?

Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales:

Auch diese Frage beantworte ich sehr gerne, Kollegin Müller-Gemmeke. – Die „Initiative Inklusion“ wird von den Ländern in enger Kooperation mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales seit 2011 bis 2018 durchgeführt. Die Länder haben gemäß der Richtlinie Initiative Inklusion dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Abstimmung mit den zuständigen Trägern der Arbeitsverwaltung zu festgelegten Stichtagen über den Stand der Umsetzung zu berichten. Die Länder sind dieser Berichtspflicht zuletzt am 31. März vergangenen Jahres nachgekommen.
Demnach ergibt sich zum Stichtag 31. Dezember 2012 – das ist der aktuelle Bericht – Folgendes: 214 neue Ausbildungsplätze für schwerbehinderte Jugendliche in Betrieben und Dienststellen des allgemeinen Arbeitsmarktes; berichtet wurde in diesem Zusammenhang von sechs Ausbildungsabbrüchen, sodass sich die Zahl von 208 ergibt. 310 neue Arbeitsplätze für ältere schwerbehinderte Menschen; Angaben zu Abbrüchen in diesem Handlungsfeld werden erstmalig zum 30. Juni 2014 fällig. Deshalb können wir dazu noch keine Aussage machen.

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Sie haben die Gelegenheit zu zwei Nachfragen.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ja, ich möchte gerne nachfragen. Welche Vorteile bieten denn diese befristeten Sonderprogramme, wie beispielsweise die „Initiative Inklusion“ oder „Job 4000“, für die Arbeitgeber einerseits, aber auch für die arbeitsuchenden Menschen mit Behinderung andererseits? Welche Vorteile haben sie gegenüber den Förderinstrumenten im SGB III?

Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales:

Auch darauf antworte ich gerne. – Ich will das am Beispiel der Förderung neuer Ausbildungsplätze aus den Mitteln der „Initiative Inklusion“ aufzeigen, wobei ich vorausschicken will, dass es grundsätzlich darum geht, überhaupt eine bessere Motivationslage und eine höhere Informationsdichte zu erreichen. Ich glaube, ich darf, ohne Sie vereinnahmen zu wollen, sagen: Wir wissen, dass wir in Deutschland hier noch viel tun können. Der Arbeitsmarkt zeigt nicht annähernd die Aufgeschlossenheit und die Initiativbereitschaft, wie sich das die Bundesregierung zurzeit wünscht. Deshalb halte ich diese Initiative für richtig.

Ich habe es schon dargestellt: Sie hat zwar bereits 2011 begonnen, aber wir wollen ihr mehr Nachdruck verleihen. Wir sind also dabei, das voranzubringen. Insofern haben wir, denke ich, neben der Unterstützung im Einzelfall auch die ganz starke Zielsetzung in einer starken öffentlichen Wirkung.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.

Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Befristete Sonderprogramme sind nun einmal genau das: Sonderprogramme und befristet. Von daher möchte ich nachfragen, wie die Förderinstrumente im SGB III verbessert werden könnten und was die Bundesregierung in nächster Zeit vorhat.

Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales:

Liebe Kollegin Müller-Gemmeke, ich sprach schon von der Zielsetzung der Bundesregierung, besonderes Augenmerk auf den inklusiven Arbeitsmarkt zu legen. Genau darauf zielt auch Ihre Frage, wenn man das in einem größeren Kontext behandelt.

Ich bin sicher, dass wir nach einer kritischen Analyse der Instrumente, die wir derzeit haben, danach fragen werden, wie sie zu bewerten sind und ob sie der Zielsetzung entsprechen, die wir als Bundesregierung erklärtermaßen haben, den Arbeitsmarkt in Deutschland inklusiver zu gestalten.

 

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