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18.07.2014

Grünes Fachgespräch: „Pflege am Boden“

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Die unabhängige Initiative „Pflege am Boden“ hat in den letzten Monaten bundesweit und auch in Reutlingen mit Flashmobs auf die dramatische Situation in der Pflege aufmerksam gemacht. Um mir einen aktuellen Eindruck über die Bedingungen in der Pflege in der Region zu verschaffen, habe ich Pflegekräfte, pflegende Angehörige, Pflegedienste und ver.di-VertreterInnen zu einem Austausch geladen.

Geringe Wertschätzung und Anerkennung, niedrige Löhne, hohe Belastung, Fachkräftemangel sind nur einige Stichworte. Es droht ein Pflegenotstand in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Ich beobachte mit großer Sorge die Entwicklung in der Pflege und die eingeladenen Pflegekräfte haben mir diesen Eindruck bestätigt.

Es ist der Kostendruck auf allen Ebenen, der ihnen die Kraft für den Job raubt. „Pflege ist Fließbandarbeit“, so empfinden viele Pflegekräfte mittlerweile ihre Arbeit. Denn oft stehen laut Bedarfsberechnungen nur 10 Minuten für einen Patienten zur Verfügung und auf eine Pflegekraft kommen mindestens 20 Patienten. Der Personalschlüssel ist zu knapp bemessen. Die Altenpflege und auch die Krankenhäuser stehen unter enormen Einsparungsdruck. Deshalb werden Fachkräfte häufig nur befristet eingestellt und so genannte pflegeferne Bereiche werden gleich ganz in Service- und Dienstleistungsgesellschaften ausgegliedert, um die Personalkosten zu senken. Bei den Pflegekräften entlädt sich dieser Kostendruck. Die unterschiedlichen Vertragskonstellationen und Gehälter sorgen für schlechte Stimmung. Erkrankungen wegen Überlastung führen automatisch zu Überstunden bei den anderen. Alles zusammen führt zu Erschöpfung, körperlich und psychisch, und dem unbefriedigenden Gefühl, die Arbeit nicht ausreichend machen zu können.

Für die Pflegekräfte ist diese Situation schwer auszuhalten, denn sie haben diesen Beruf bewusst gewählt, um die Menschen im Alter menschenwürdig zu begleiten und weil sie in einer älter werdenden Gesellschaft Verantwortung übernehmen wollen. Für die Gewerkschaft ver.di sind die Arbeitsbedingungen unhaltbar und der Handlungsbedarf groß. Und auch die Angehörigen von zu Pflegenden leiden unter dieser Situation, denn sie erwarten zu Recht eine den Menschen zugewandte Pflege.

Die Pflege braucht endlich die Anerkennung und Wertschätzung, die sie verdient. Notwendig ist ein einheitliches Personalbemessungssystem, um Pflegebedürftige adäquat versorgen zu können. Und wir brauchen endlich einen neuen Pflegebegriff und den Abbau von unnötiger Bürokratie. Nur so verbessern sich die Arbeitsbedingungen und nur so wird der aufziehende Fachkräftemangel gestoppt. Von der Bundesregierung hingegen kommt nur Symbolpolitik und das ist ein Armutszeugnis.

Am Ende des Gesprächs waren wir uns alle einig, dass die Situation für Pflegende, Gepflegte und Angehörige nachhaltig verbessert werden muss, damit die Würde des Menschen wieder an erster Stelle steht. Deshalb sind die Flashmobs der Pflegeinitiative so wichtig. Die Pflegekräfte legen sich auf den Boden, um andere zu bewegen, aufzustehen. Nur so werden die Menschen aufgerüttelt und nur so werden sie aktiv für eine menschenwürdige Pflege, die begleitet und unterstützt. Denn echte Reformen in der Pflege sind bitter nötig.

 

Fachgespräch: Pflege am Boden