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10.04.2014

Mobbing ist kein Kavaliersdelikt

 

„Beschäftigte vor Mobbing schützen“ – so lautete der Titel meines öffentlichen Fachgesprächs, das am 4. April in Berlin stattfand. Gäste aus Wissenschaft, Justiz, Gewerkschaft, Wirtschaft und der Beratungspraxis diskutierten dabei die Möglichkeiten, den Schutz für Mobbing-Opfer zu verbessern. Rund 60 Besucherinnen und Besucher beteiligten sich an einer lebhaften und interessanten Diskussion.

Die weitreichenden sozialen Folgen und Gesundheitsrisiken für die Mobbing-Opfer sind enorm und ebenso die hohen volkswirtschaftlichen Kosten. In einigen Ländern Europas hat sich die Politik bereits des Problems angenommen. Dort existieren Gesetze, die Mobbing verbieten und unter Strafe stellen. In Deutschland gibt es hingegen noch keine konsistente Gesetzgebung. Mit dem Fachgespräch wollte ich gemeinsam mit den ExpertInnen erörtern, wie die Beschäftigten vor Mobbing geschützt werden können und ob gesetzlicher Handlungsbedarf besteht. Und es ging auch um die Frage, wie für die Mobbing-Opfer wieder ein gewisses Maß an Gerechtigkeit hergestellt werden kann?

Fest steht: Wer Opfer von Mobbing wird, leidet unendlich unter den Angriffen auf die eigene Persönlichkeit. Denn Mobbing zielt auf die Psyche der Menschen. Nicht selten erkranken diese Menschen, ihr bisheriges Leben bekommt Risse, sie verlieren nicht selten ihren Job.

Die Sozialwissenschaftlerin Martina Stackelbeck, die 2002 eine der Autorinnen des ersten und bisher einzigen Mobbing-Reports war, stellte fest: Egal, ob es sich um einen Konflikt oder Mobbing handelt, zunächst haben die Vorgesetzten die Pflicht zu handeln.

Monika Hirsch-Sprätz, Leiterin der Mobbingberatung Berlin-Brandenburg, vertrat die These: „Mobbing existiert für den deutschen Gesetzgeber nicht.“ Sie bemängelte außerdem, dass sich nach ihrer Erfahrung weder Richter noch Ärzte in der Regel mit Mobbing auskennen. Arbeitsgerichte würden unbewusst daran mitwirken, Mobbing zu verstärken. Denn zivil- und arbeitsrechtliche Urteile zu Gunsten der Opfer seien eher selten. Ihr Fazit lautete: „Der Handlungsbedarf für Deutschland ist sehr hoch.“

Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Thüringen, Dr. Peter Wickler, fragte zunächst, ob Mobbing überhaupt juristisch zu fassen sei. Mobbing sei kein Rechtsbegriff. Deshalb brauche es „eine glasklare Täter-Opfer-Beziehung“, um vor Gericht Bestand zu haben. Er betonte: „Gleichzeitig ist die juristische Zunft überfordert.“ Denn den Gerichten fiele es schwer, wirkliches Mobbing zu identifizieren. Sein Fazit lautete daher: „Ja, wir brauchen ein Gesetz gegen Mobbing.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kann diese Forderung nicht eindeutig unterstützen. „Wir haben noch keine abschließende Meinung, ob ein Anti-Mobbing-Gesetz erforderlich ist“, sagte Dr. Marta Böning, Juristin beim DGB. Dennoch sieht auch sie Handlungsbedarf. Der DGB fordert daher, die Ursachen von Mobbing müssten angegangen werden. „Wir sehen die Ursachen in der Zunahme von berufsbedingtem Stress“, sagte Böning. Deshalb forderte sie eine Anti-Stress-Verordnung. Gleichzeitig müsse stärker auf Prävention gesetzt werden. So seien beispielsweise Anti-Mobbing-Betriebsvereinbarungen denkbar. Gleichzeitig müssten Möglichkeiten für Beschwerdeverfahren geschaffen werden.

Wie die Seite der Wirtschaft mit dem Thema Mobbing umgeht, erläuterte anschließend Dr. Anita Schmitz-Witte, Juristin bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). „Die Unternehmen nehmen das Thema Mobbing sehr ernst“, erklärte sie. Immerhin sei Mobbing kostenintensiv, habe Auswirkungen auf die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Doch ob gleich gesetzliche Regelungen nötig wären, sei doch fraglich. Wie der DGB setze die BDA auf Prävention. Es gelte die innerbetriebliche Gesundheitsförderung zu stärken. Führungskräfte müssten aufgeklärt werden. Insgesamt müsse die Sensibilität für das Thema Mobbing gestärkt werden.

Alexander Bredereck, Rechtsanwalt aus Berlin, sah hingegen eindeutig mehr Handlungsbedarf. Der Staat verweigere den effektiven Rechtschutz bei Mobbingfällen. Gesetzesänderungen seien daher dringend nötig. Diese müssten sowohl präventiv als auch nachsorgend wirken. Bredereck forderte vorgeschriebene Verfahren im Betrieb, die den Umgang mit Mobbing regeln. Sollte ein Arbeitgeber dieses Verfahren nicht einhalten, müsste die Beweislast umgekehrt werden. Außerdem bräuchten Opfer von Mobbing die Möglichkeit, bei nachgewiesenem Mobbing, direkt auf Abfindung klagen zu können.

Dr. Wickler betonte in der Diskussion, Burn-out und Stress hätten mit Mobbing nichts zu tun. Da werde zu viel miteinander vermischt. Und Prävention sei es auch, wenn Sanktionen greifen würden. Immerhin wüsste doch jeder, dass es sich nicht gehört, andere auszurauben. Täte man es doch, drohe eben eine Strafe. Beim Mobbing müsse es genauso sein. „Die beste Prävention ist doch, wenn beim Mobbing-Urteile ergehen und das staunende Publikum erfährt, dass Schadensersatzzahlungen und Geldentschädigungen drohen, wenn gemobbt wird.“

Mein Fazit aus dem Fachgespräch ist eindeutig: Mobbing am Arbeitsplatz muss endlich ernst genommen werden. Notwendig ist eine Definition und dabei geht es auch um die Differenzierung zwischen Konfliktsituationen und eindeutigem Mobbing – also Täter-Opfer-Konstellationen. Wird eine gezielte andauernde Schikane und ein Angriff auf die Persönlichkeit (Mobbing) festgestellt, dann müssen die Opfer die Chance erhalten, auf Entschädigung zu klagen und Recht zu bekommen. Anders als die Bundesregierung sehe ich also bei Mobbing am Arbeitsplatz gesetzlichen Handlungsbedarf. Das Thema ist zwar vielschichtig und auch nicht einfach, dennoch werde ich mich auf den Weg machen und Vorschläge für gesetzliche Lösungen entwickeln.

 

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Pressebericht: Spiegel Online

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